Wirtschaft in Schwierigkeiten
Peter Fleissner über Auswirkungen des Krieges
Die Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine schwappen nach Österreich über. Über Jahre hinweg waren die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland und der Ukraine aufgebaut und erweitert worden.
Nun machen der Krieg und seine Folgen viele dieser Bemühungen wieder zunichte. Menschen sterben, Millionen verlieren ihr Zuhause und flüchten ins Ausland, Fabriken werden zerstört, durch die Mobilmachung stehen Werke still, Ernten können nicht eingebracht werden, Lieferketten werden unterbrochen.
Auch wenn kein Experte meint, dass dadurch der Krieg beendet werden könnte, wurden Strafmaßnahmen über Russland verhängt. „Es wurde das härteste Sanktionspaket, das die EU je beschlossen hat“, sagte ihr Außenbeauftragter Josep Borrell.
Gas und Öl
Die Sanktionen treffen aber nicht nur Russland, sondern haben auch Rückwirkungen auf die österreichische Wirtschaft. Obwohl der Anteil der russischen Importe an der gesamten österreichischen Einfuhr eher klein ist, sind die Gaslieferungen aus Russland besonders wichtig, da sie 80 Prozent des heimischen Gasverbrauchs ausmachen.
Nachdem die USA mit ihrem langjährigen Druck auf Deutschland Erfolg hatten, den Betrieb der Gas-Pipeline Northstream 2 zu verhindern, haben sie bei weiteren Öl- und Gassanktionen von Seiten der EU eingelenkt, nicht zuletzt wegen des Widerstandes aus Deutschland und Österreich. Nun „helfen“ die USA der EU mit Gaslieferungen aus der Patsche. Schon vor dem Einmarsch der Russen nahmen zehn US-Tanker Kurs Richtung Europa, beladen mit dem teureren Flüssiggas, das durch Fracking aus der Erde geholt wurde und gegen das Umweltschützer große Bedenken haben. Die Abhängigkeit von Russland wird nun durch die Abhängigkeit von den USA ersetzt. Offensichtlich geht es hier um machtpolitische und wirtschaftliche Interessen.
Ein Ölboykott träfe Österreich nicht so stark wie ein Stopp der Gasimporte. Österreichs eingeführtes Erdöl stammt nur zu 10 Prozent aus Russland. 2020 wurden von dort stattliche 740.000 Tonnen importiert, mehr als doppelt so viel wie 2019 (267.000 Tonnen). Der Großteil des importierten Öls kommt aus Kasachstan (36,6 Prozent), gefolgt vom Irak mit 15,0 Prozent. Dennoch müssten die Ölreserven wieder aufgestockt werden, was sich bei einer Einstellung der Lieferungen aus Russland schwierig gestalten könnte. Ein Lieferstopp wäre wegen des Streits über die neuerdings von Russland geforderte Bezahlung in Rubel nicht undenkbar.
Arbeitsplätze gefährdet
Für den Lkw-Bauer Steyr Motors oder für Magna in Graz gilt: Ukrainische Zulieferer fallen aufgrund des Krieges aus, bei BMW Steyr mit seinen 3.500 Arbeitsplätzen gibt es als Folge des Ukraine-Kriegs teilweise Produktionsausfälle und Kurzarbeit. Vor allem Kabelbäume werden nicht geliefert. Bereits Anfang März war es hier zu Ausfällen gekommen. 3.200 Mitarbeitende sind betroffen, die Kurzarbeits-Vereinbarung gilt bis Ende Mai. Die Produktion der BMW-Modelle im Grazer Magna-Werk wurde für zwei Wochen komplett eingestellt. Beim Kärntner Autozulieferer Mahle Filtersysteme Austria in St. Michael ob Bleiburg wurde mit 1. April Kurzarbeit eingeführt.
Laut Kleiner Zeitung wurden rund 1.600 Mitarbeiter*innen inklusive Leiharbeiter*innen und damit fast die gesamte Belegschaft zur Kurzarbeit angemeldet. Gründe dafür waren die Einstellung von Exporten nach Russland sowie stark beeinträchtigte Lieferketten, die zu Produktionsstopps führen.
Mitte März meldete das Arbeitsministerium, dass sich im Vergleich zur Vorwoche die Voranmeldungen zur Kurzarbeit um 1.582 auf 171.681 Personen erhöht hätten. Allerdings gibt es im Vergleich zum Vorjahr einen massiven Rückgang. Ende März 2021 wurden noch rund 348.500 Personen in Kurzarbeit abgerechnet.
Erntearbeiter*innen fehlen
Nicht nur die Industrie, auch die österreichische Landwirtschaft ist betroffen. Sie hat einen hohen Anteil an ukrainischen Erntearbeiter*innen. Die Spargel- und Erdbeerernte startet im April. Die benötigten Saisonarbeiter* innen werden wegen des Kriegs fehlen.
Die Inflation, die schon vor dem Krieg angeblich nur vorübergehend hoch war, wird vor allem durch die mittelfristig hohen Energiepreise weiter befeuert. Die von der Regierung beschlossenen Kompensationszahlungen sind zu niedrig um die gesamten Preissteigerungen auch bei Mieten, Nahrungsmitteln und Transport abzugelten.
Eine längerfristig und auf zivile Güter angelegte Wirtschaftspolitik hat nun den Anlass und die Chance, die Nachhaltigkeit der Produktion durch Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verbessern und gleichzeitig die Abhängigkeit von einzelnen Zulieferländern zu verringern. Längerfristige Kooperationsverträge könnten die Industrieproduktion und damit die Arbeits- plätze sichern.
Peter Fleissner ist Ökonom und lebt in Wien