Wie machen Sie das, Herr Minister?
Anita Strasser über Kindererziehung
Seit Jahren wird diese Frage ausschließlich Frauen in Top-Positionen gestellt: „Wie vereinbaren Sie Beruf und Familie, Frau XY?“ Im Zuge der letzten Regierungsbildung war das auch bei den neuen Ministerinnen gut zu beobachten.
Sauer stoßen mir dabei vor allem zwei Dinge auf: Wieso erwarten Journalist*innen ausschließlich von Frauen einen speziellen Plan, der den Bedürfnissen ihrer Familienmitglieder möglichst gerecht wird? Ich habe noch nie gelesen oder gehört, dass einem Minister oder Firmenchef diese Frage gestellt wurde. Auch dann nicht, wenn er selbst Kinder hatte. Dazu stört mich, dass hier so getan wird als wäre es mit einem Minister*innen-Monatsgehalt von über 17.000 Euro in irgendeiner Form ein Problem, die Kinderbetreuung oder den Haushalt von anderen regeln zu lassen.
Auch die Partner sind bei solch einem gut bezahlten und prestigeträchtigen Job eher dazu gewillt, Kompromisse einzugehen, wie etwa in ein anderes Bundesland zu übersiedeln oder den eigenen Job zeitweise aufzugeben, um sich gänzlich der Familienorganisation zu widmen. Für eine beruflich als Friseurin oder Verkäuferin tätige Mutter wird kaum jemand seine Karriere hintenanstellen, allein schon, weil es wirtschaftlich gar nicht umsetzbar wäre.
Strategien der Familienorganisation, die von Frauen in Top-Positionen (mit ebensolchen Top-Gehältern) angewandt werden, sind für Durchschnittsfrauen, die mit einem Bruchteil dieses Gehalts auskommen müssen, nicht umsetzbar. Doch genau die wenigen Frauen, die es in solche Ausnahmepositionen geschafft haben (und dafür haben sie sich meinen ehrlichen Respekt verdient!) speisen weiterhin das Märchen von der angeblich leichten Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Allgemeinheit der Frauen in Österreich.
Minister*innen können es sich leisten, jene Arbeit, die in der restlichen Bevölkerung unentgeltlich von Frauen übernommen wird, bezahlt auszulagern. Sei es indem Putzpersonal, Nachhilfe- oder Privatlehrer*innen, Kindermädchen, Pflegepersonal oder überhaupt Allround-Haushaltshilfen eingestellt werden. Oder aber der Partner übernimmt alle diese Aufgaben zwar offiziell unentgeltlich, kann aber von dem Minister*innengehalt problemlos mitfinanziert werden und das, ohne den Lebensstandard nach unten korrigieren zu müssen.
Für die Durchschnittsfrau in Österreich ist es jedoch utopisch ihre eigene Familie vergleichbar organisieren zu können oder vielmehr organisieren zu lassen. Das Durchschnittsgehalt von Frauen liegt noch immer 15,6 Prozent unter dem von Männern. Schon vom Durchschnittsgehalt eines Mannes kann heute selten eine ganze Familie finanziert werden. Der Gender Pay Gap macht das umgekehrte Modell für die allermeisten Frauen jedoch gänzlich unmöglich.
Einzelne Frauen in Top-Positionen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Österreich noch großen Aufholbedarf in Sachen Gleichberechtigung hat!
Der Gender-Pay-Gap muss beseitigt werden.
Arbeit muss gerechter entlohnt werden (Reduktion der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich)
Kosten für notwendige Ausgaben, wie Miete, Strom, Heizkosten, Heilbehelfe oder (Aus)bildung müssen in Relation zum Einkommen sinken.
Unbezahlte Arbeit (Pflege, Erziehung, Haushalt…) darf nicht als „Frauensache“ wahrgenommen werden. Sie muss gerecht zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden.
Anita Strasser ist Aktivistin der Frauenbewegung in Graz