Wer redet von Sozialpartnerschaft?
Anne Rieger über die Verhinderung von Reallohnverlusten
Metaller:innen und Handelsangestellte kämpfen, um Reallohnverluste für alle zu verhindern. Die Forderungen von 11,6 bzw. elf Prozent haben die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung.
Denn alle spüren die Erhöhung der Preise, die real weit über der „rollierenden“ Inflationsrate von 9,6 Prozent liegt. Sogar bei einem Teil der medialen Öffentlichkeit klingt „Verständnis“ durch. Das ist selten.
Schäbiges „Angebot“
Trotz wirtschaftlicher Rekordjahre und hoher Gewinnausschüttungen in der Metallindustrie und im Handel, lehnen die Unternehmer ab, den Beschäftigten etwas – nicht mal ein Krümel – vom erarbeiteten Mehrwert abzugeben.
Mit Partnerschaft hat das nichts zu tun. Die Beschäftigten der Andritz AG schraubten in drei Quartalen den Umsatz auf 2,1 Milliarden und den Gewinn auf 124,6 Millionen Euro. Bei Doppelmayr erarbeiteten sie ein Umsatzplus von 6,7 Prozent auf knapp eine Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2022/23.
Trotzdem sind die Profiteure – Eigentümer und Aktionäre – nicht bereit, „ihren“ Beschäftigten wenigstens die Erhöhung der Preise um die „rollierende“ Inflation abzugelten. Sechs Prozent seien genug.
Ihre zwei Haupt-Argumente, Wirtschaft und Arbeitsplätze seien gefährdet, werden durch Wiederholung nicht richtiger. Denn die „Wirtschaft“ hat 2022 bereits kräftig abgesahnt. Und aus diesen Gewinnen können die Unternehmen locker zahlen. Die Beschäftigten gehen bei der üblichen – in die Vergangenheit blickenden – „rollierenden“ Inflationsrate immer in Vorleistung.
Im Herbst 2022 wurde am Höhepunkt der Preiserhöhungen im Metallbereich mit nur 5,4 Prozent plus Fixbetrag von 75 Euro, also etwa sieben Prozent, abgeschlossen. Schon das führte zu Reallohnverlusten. Jetzt soll es so weitergehen. Das ist keine Partnerschaft, sondern Klassenkrieg.
„Gefährdung“ des Wohlstandsmodells
Auch das zweite Argument, das Herr Knill, Obmann der Metalltechnischen Industrie (FMTI) und Chef einer Unternehmensgruppe mit 30 Unternehmen in 18 Ländern, dem 2.300 Beschäftigte seine Gewinne erarbeiten und 440 Mio. Euro Umsatz bescheren, gerne benutzt, erinnert an Fake News: Gefährdung der Arbeitsplätze durch um 11,6 Prozent höhere Löhne.
Sein Wirtschaftskammer-Kumpel Harald Mahrer lässt für längere Arbeitszeiten plakatieren und nennt hohe Energiekosten eine „Gefährdung“ des Wohlstandsmodells. Dafür sollen die Beschäftigten blechen. Aber höhere Löhne stabilisieren die Kaufkraft und schützen vor Arbeits- platzabbau. Zusätzlich gibt es mehr Geld für das Sozialversicherungssystem.
Das „Angebot“ für Lohn- und Gehaltserhöhungen um 2,7 Prozent plus 130 Euro Fixbetrag entspreche nicht einmal zwei Drittel der rollierenden Inflation: „Die Einmalzahlung kann in diese Betrachtung nicht einfließen, da hier keine Nachhaltigkeit gegeben ist“. so GPA-Verhandlungsführer Karl Dürtscher.
Wir alle sind betroffen
Der Stand zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe: Bis 17. November riefen die Gewerkschaften vorerst in rund 200 Betrieben des FMTI zu eintägigen Streiks auf. Die Handelsangestellten waren am 14. November auf der Straße. Sie werden gezwungen sein, im Weihnachtsgeschäft zu streiken, wenn die Unter- nehmen nicht nachgeben.
Im Sozialbereich fordern die Beschäftigten 15 Prozent, mindestens aber 400 Euro. Die Dienstgeber wollen nur 8,8 Prozent hergeben. Bei einer Teilzeitrate von 70 Prozent können sich die Beschäftigten ihre Miete, ihren Wocheneinkauf und ihre Heizkosten mit ihrem Einkommen bald nicht mehr leisten.
Viele bekommen keine Vollzeitstelle und bei 70 Prozent Frauen haben die meisten Betreuungspflichten, die sie in Vollzeit nicht bewältigen könnten. Eine allgemeine Erhöhung der Löhne um 750 Euro brutto monatlich würde zum Beispiel die Gehaltsschere im KV der Sozialwirtschaft Österreich enorm verringern.
Dass nur Arbeitskämpfe mit Unterstützung von uns allen gegen die Frechheiten der Unternehmer helfen, zeigt sich im Journalistenbereich. Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) wollte im September den Journalisten-Kollektivvertrag per Jahresende aufkündigen. Laut der Gewerkschaft verknüpft der VÖZ die Rücknahme der KV-Kündigung mit Forderungen wie Verschlechterungen bei Gehältern, Kündigungsfristen, Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Verleger würden demnach darauf bestehen, dass die Gewerkschaft diesen Forderungen zustimmt, bevor es zu Verhandlungen über Neuregelungen beim Kollektivvertrag kommen kann, schreibt die Kleine Zeitung.
Die Unternehmen haben in den letzten Jahren die Preise so stark nach oben gedreht wie seit den 1970er Jahren nicht mehr – um fast 23 Prozent seit 2019. Die verhandelten Löhne sind im gleichen Zeitraum nur um 16 Prozent gestiegen.
Anne Rieger ist Mitglied im erweiterten Bundesvorstand des GLB