Weiter viele Baustellen
Patrick Kaiser über die Pflegereform
Kurzfristig wurde von der Bundesregierung wegen Protesten des ÖGB eine „Pflegereform“ beschlossen. Diese bringt zwar ein paar Erleichterungen, trotzdem Kosteneinsparung und Dequalifizierung.
Es gibt viele Gründe, warum sich junge Menschen die Ausbildung in der Pflege nicht mehr antun wollen. Das Gesundheitswesen wird durchökonomisiert, die Arbeitsbedingungen spotten bereits jeder Beschreibung. Pflege als Schwerstarbeit anzuerkennen – wie es etwa die Arbeiterkammer fordert – ist im Moment sowieso kein Thema.
Aktueller Stand
Die Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege werden schon jetzt immer unübersichtlicher. Neben der Diplom-Ausbildung (die vorerst Ende 2023 auslaufen soll) gibt es die inzwischen laut EU-Richtlinien verpflichtende FH-Ausbildung. Ein neuer Assistenzberuf ist entstan- den (Pflegefachassistenz).
Außerdem werden Schulversuche angeregt und durchgeführt. Dazu gehört die absolut abzulehnende Pflegelehre für 15-jährige, und die vielleicht interessante Ausbildung im berufsbildenden Schulbereich. Pflegeassistenzberufe sind wichtig, sie aber als Ersatz für höher ausgebildete Fachpersonen einzusetzen ist mehr als fragwürdig.
Internationaler Vergleich der Kompetenzen
Es ist natürlich sinnvoll, möglichst viele Personen in den Pflegebereich zu bringen. Studien zeigen allerdings, dass Kompetenzen des Pflegeassistenzpersonals wie die Verabreichung von Infusionen, legen von Kathetern oder intravenöse Kanülen usw. international nicht üblich sind. Auch eine AK-Studie legt dar, dass sich unsere Ausbildungsvoraussetzungen weiter in Richtung weniger Ausbildung, weniger Hintergrundwissen und weniger Lohn bewegen.
Dies ist nicht zu akzeptieren, so etwas nennt sich Lohndumping. Der Anspruch, eines der besten Gesundheitswesen bereitzustellen kann damit nicht erfüllt werden. Wissenschaftlich evident steigen Infektions- und Sterberaten, wenn die Ausbildungsqualität abseits der Grundpflege verringert wird.
Die ersten Gesetzesentwürfe der Pflegereform, die sich mit der Ausbildung beschäftigen zeigen in eine Richtung: Wenig Unterstützung bei der Ausbildung, andererseits Kompetenzerweiterung bei geringerer Ausbildung und damit Dequalifizierung und Überforderung am Krankenbett. Insgesamt geht es damit weiter in Richtung einer industrialisierten Pflege, wo gering ausgebildete und schlecht bezahlte Hilfskräfte von einer verantwortlichen Fachkraft delegiert arbeiten. Mit professioneller ganzheitlicher Pflege hat dies alles nichts mehr zu tun.
Ausbildungsgeld
Die aktuelle FH-Ausbildung bedeutet Studiengebühren und nur durch das AMS förderbare Ausbildungsmöglichkeiten.
Zumindest wird ein Ausbildungsgeld von 600 Euro (nicht Pensions- und an Dienstzeiten anrechenbar) versprochen. Von einem fix garantierten Ausbildungsgeld, etwa in Höhe der Polizeiausbildung (derzeit 1.820 Euro brutto) ist keine Rede. Diese „Reform“ zielt auf eine weitere Verschlechterung und Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen ab.
Die endgültigen Gesetze müssen gewerkschaftlich evaluiert und kritisch kommentiert werden. Die Arbeiterkammer gibt dazu genug Vorlagen. Die aktuelle und noch kommende Pflegelücke ist bekannt, sie kann nur über mehrere Ebenen bewältigt werden: Beste Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen. Eine nennenswerte Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich – wie bereits immer wieder in den SWÖ-Verhandlungen betont – ist wichtig und notwendig, ein existenzsicherndes Ausbildungsgeld ebenso!
Insgesamt sind die Maßnahmen sowieso nur auf zwei Jahre beschränkt, d.h. es wird noch weitere Verteilungskämpfe in den nächsten Jahren geben. Der ÖGB muss sich seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden und kämpferisch für alle Beschäftigten im Pflegebereich und damit auch für die Patient*innen auftreten!
Patrick Kaiser ist Krankenpfleger und Personalvertreter im Klinikum Floridsdorf sowie GLB-Arbeiterkammerrat in Wien