Warum heute schon daran denken?
Anne Rieger und Alisa Kabasser über Frauenpensionen aus marxistisch-feministischer Sicht
Bereits ab dem ersten Tag der Arbeitstätigkeit entscheidet sich die Pensionshöhe in 40 Jahren. Es ist also für die Versorgung im Alter nicht egal, welcher Beruf heute ergriffen, wie viel Lohn dafür bezahlt, ob Teilzeit oder Vollzeit gearbeitet wird, ob ein Betreuungsplatz für Kinder vorhanden ist oder nicht, ob für Kinder eine Ganztagsschulplatz zur Verfügung gestellt wird oder nicht.
Frauen erhalten eine um 38 Prozent geringere Pension als Männer. Im Dezember 2021 lag die durchschnittliche Pension der Frau mit 1.150 Euro unter jener der Männer, mit 1.858 Euro. Warum ist das so? Warum erhalten Frauen eine um 708 Euro geringere Pension? Und warum verdienen sie während ihres Erwerbslebens im Durchschnitt 17,1 Prozent weniger als Männer?
Frauen erhalten weniger
Als Ursachen werden die unterschiedliche Berufswahl, geringere Verdienste, schlechtere Aufstiegschancen und höhere Fehlzeiten als bei Männern genannt. Außerdem soll neben Teilzeitjobs und Kindererziehungszeiten während der Erwerbsphase auch die geringere Belastbarkeit und Durchsetzungskraft von Frauen entscheidend sein.
Jungen Frauen ist oft nicht bewusst, dass sich das alles nicht nur auf den aktuellen Verdienst, sondern auch negativ auf ihre Pension auswirkt. Das heißt aber weder, dass diese Voraussetzungen noch die genannten Eigenschaften natürlich gegeben sind – im Gegenteil, sie werden durch den Kapitalismus hervorgebracht und gefördert.
Doppelt ausgebeutet
Im Kapitalismus wurden die bereits bestehenden patriarchalen Abhängigkeitsverhältnisse fortgeführt, was auf den ersten Blick den Männern, tatsächlich aber hauptsächlich den Kapitalisten dient. Unbezahlte „Reproduktionsarbeit“ wird weiterhin fast ausschließlich von Frauen geleistet; zu ihr zählt die Erziehung der Kinder und Pflege der älteren Generation.
Wegen dieser besonderen Belastung haben Frauen schlechtere Chancen sich weiterzubilden und am „offiziellen“, bezahlten Arbeitsleben teilzunehmen. Für dieses Dilemma gibt es bislang nur individuelle, aber keine grundsätzlichen Lösungen. Doppelte Ausbeutung heißt also Frauen werden gleich ausgebeutet wie ihre männlichen Kollegen und zusätzlich überausgebeutet als weibliche, vergleichsweise unterbezahlte Arbeitskräfte.
Im Grunde kommt der herrschenden Klasse zupass, dass Frauen durch ihre unbezahlte „Reproduktionsarbeit“ nur vermindert und daher nicht vollkommen gleichberechtigt am Arbeitsleben teilnehmen können. Dahinter steht ein stillschweigendes Einverständnis mit dem hergebrachten Vorrang der Männer. Tatsächlich ist der einzige Grund, Frauen doppelt auszubeuten, jedoch ein ökonomischer im Interesse der herrschenden Klasse. Die Frage nach dem benachteiligten Geschlecht ist das Eine, die Frage nach der ausgebeuteten Klasse das Andere.
Mit Lügen abgespeist
Anstatt der strukturellen Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken, lenkt uns der Kapitalismus mit Lügen von diesem Grundproblem ab und verstärkt es nur noch. Die Politik, die sich nach diesen Lügen ausrichtet, ermöglicht und verstärkt die Ausbeutung der Frauen immer weitreichender. Die Tatsache, dass wir Menschen immer älter werden und die Jungen die Pensionen finanzieren, verwendet der Kapitalist zum Beispiel als Argument dafür, das Pensionsantrittsalter, insbesondere das von Frauen, noch weiter zu erhöhen.
Tatsache aber ist: Produktivität und Beschäftigung schlagen Demografie. Denn, auch wenn Menschen heutzutage so alt wie nie zuvor werden, sind sie aufgrund der technischen Hilfsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, auch so produktiv wie nie zuvor.
Außerdem waren in Österreich noch nie so viele Personen beschäftigt und nichts kann Sozialsysteme wie die Pension so einfach stabilisieren wie eine wachsende Wirtschaft. Es sollte also ein Anliegen der Regierung sein die Arbeitslosigkeit zu verringern, um den Sozialstaat zu sichern und den Pensionist*innen ihr Geld zu lassen. Zahlungsfähige Pensionierte liegen nämlich weder den Jungen noch dem Staat auf der Tasche sondern treiben ganz im Gegenteil als Konsument*innen die Wirtschaft voran. Eine Wirtschaft, die wiederum den Steuerzahler*innen von heute das Leben von morgen finanziert.
Heute schon dran denken
Heute schon „daran denken“ bedeutet sich darüber im Klaren zu sein, dass wir noch in einem Gesellschaftssystem leben, das unser Recht auf Ausbildung und Arbeit gegen unser Bedürfnis nach Kindern und einer Beziehung ausspielt. Es bedeutet, heute schon für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der es möglich ist als junge Arbeiter*in alle menschlichen Grundbedürfnisse auszuleben, ohne im Alter dafür die Rechnung zu kassieren.
Heute schon „dran denken“ bedeutet aber vor allem, scheinbare Lösungsansätze wie Privatpension und Pensionssplitting zu enttarnen, welche die Lösung gesellschaftlicher Probleme Individuen überlassen, anstatt das System grundlegend zu ändern.
Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB
Alisa Kabasser ist Jus-Studentin in Graz und bei der KPÖ aktiv