Von wegen Leistung
Wer erinnert sich heute noch, als zu Beginn der Corona-Pandemie von Balkonen und via ORF die Systemerhalter:innen – vor allem Frauen in Spitälern, Pflege und Handel – beklatscht wurden? Es blieb beim Klatschen, eine Aufwertung dieser Berufe – überwiegend in Teilzeit mit geringen Einkommen und negativen Auswirkungen für die Pension – blieb aus.
Als die neoliberalen Marktschreier:innen von FPÖ, NEOS und ÖVP die „Leistungsträger“ (Frauen waren da nicht mitgemeint) entdeckten, war von den Systemerhalter:innen nicht mehr die Rede. Als „Leistung“ gilt vielmehr eine steuerfreie Milliarden-Erbschaft Marke Mateschitz oder ein hochdotierter Führungsjob. Etwa der Bosse der ATX-Unternehmen, die bereits am 5. Jänner so viel verdient hatten wie durchschnittliche Lohnabhängige im ganzen Jahr.
Nicht vergessen ist die legendäre Aussage von Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger: „Wo woar mei Leistung?“ (Standard, 21.12.2010). Aber auch Ex-SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer meinte schon „Ich verstehe mich als Anwalt des Wettbewerbs für eine solidarische Hochleistungsgesellschaft. Ich habe einen völlig unverkrampften Zugang zur Leistung.“ (Presse, 20.1.2007)
Als Kontrapunkt zu dieser „Leistungsschau“ hatte Ex-Kanzler Sebastian Kurz die „Nichtaufsteher:innen“ entdeckt. Gemeint waren – speziell gemünzt auf das „rote“ Wien – Menschen die Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Sozialhilfe beziehen und aus Sicht der Kanzlerpartei nicht früh aufstehen um sich um einen Job bemühen, nach neoliberaler Diktion also „Sozialschmarotzer:innen“.
Kurz-Nachfolger Karl Nehammer verwendete bei seiner Rede „Zur Zukunft der Nation“ die „Leistung“ nur im Zusammenhang mit asozialen Drohungen: „Je weniger Menschen mit „Leistungen“ zu ihrem Lebensglück beitragen können, desto stärker wird der Begriff als Ideologie zur Legitimation von Ungerechtigkeiten strapaziert“ konstatierte der Autor und Unternehmer Heinrich Breidenbach dazu (Standard, 16.3.2023). Ebenso dient „Leistung“ als Rechtfertigung für absurde Einkommensunterschiede und Vermögensungleichheiten und zur Abwehr der überfälligen Besteuerung millionenschwerer Vermögen und Erbschaften.
Niemand kann erklären, warum die Tätigkeit von ATX-Bossen achtzig Mal so viel wert sein soll wie die Arbeit der Systemerhalter:innen in Spitälern, Pflege oder Handel. Schon gar nicht ist diese „Leistung“ der Konzern- und Bankenbosse mit „Verantwortung“ zu rechtfertigen. Meist bekommen diese auch bei massiven Fehlleistungen ihre vertraglich zugesicherten Boni oder werden hochdotiert abgefertigt. Schließlich sollen sie aus dem Personal den maximalen Mehrwert für die Dividenden an die leistungslos tätigen Aktionär:innen herauspressen.
Wirkliche Leistungsträger:innen sind also nur die lohnabhängig Beschäftigten, die alle Werte schaffen. Sie steigerten das Bruttoinlandsprodukt von 1965 bis 2023 von 2.464 auf 49.400 Euro pro Kopf (Kronenzeitung, 26.10.2023). Von einer adäquaten Aufteilung auf die wirklichen Leistungsträger:innnen kann aber keine Rede sein. Davon zeugt die Vermögensverteilung, der zufolge das reichste Prozent der Bevölkerung 39 Prozent des Vermögens, das sind 1,32 Billionen Euro, besitzt.