Verfehlte Antiteuerungspolitik
Robin Perner zum Thema Teuerung
Österreichs Wirtschaft ist immer noch von einer deutlich zu hohen Inflationsrate gekennzeichnet. Während der harmonisierte Verbraucherpreisindex, der für europäische Vergleiche herangezogen wird, im Juni bei 7,8 Prozent liegt, zeigen Länder wie Spanien, Belgien (beide 1,6 Prozent) oder Frankreich (4,1 Prozent) bereits eine deutliche Entspannung.Auch im Vergleich zum Euroraum-Durchschnitt (5,5 Prozent) ist eine große Lücke erkennbar. Trotz eindeutiger Berechnungen diverser Wirtschaftsforschungsinstitute über das aktuelle überwiegende Verschulden der Preissteigerungen, nämlich der gestiegenen Gewinnmargen der Unternehmen, gibt es seitens Politik und Arbeitgeber:innen-Vertretung bereits erste Rufe zur Lohnzurückhaltung für die kommenden Kollektivvertrags-Verhandlungen im Herbst.
Im Gegenzug zeigt der Vergleich mit Ländern, die sinnvolle Eingriffe in die Preise getätigt haben, dass es auch vernünftige Alternativen bei gleichen Kosten für die Steuerzahler:innen gibt. Klar bleibt, dass die Arbeitnehmer:innen nicht für die gestiegenen Gewinne und ausgebliebene, effektive Antiteuerungs-Maßnahmen auf den Erhalt ihrer Kaufkraft verzichten werden.
Gewinne als Treiber
Immer noch sind Wohnen und Energie hauptverantwortlich für die aktuelle Teuerung. Die österreichischen Energieversorgungsunternehmen sind im europäischen Vergleich besonders langsam, wenn es um die Weitergabe der bereits deutlich gesunkenen Großhandelspreise an die Kund:innen geht. Durch die automatische Indexierung stiegen ohne die vielfach auch von Wirtschaftsforscher:innen geforderte Aussetzungen der Anpassung im April und Juli auch die Mieten im regulierten Bereich ein wiederholtes Mal.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass Mieter:innen höhere Energiekosten haben und als Folge auch noch höhere Mieten zahlen müssen. In der Schweiz dürfen Miet-Erhöhung nur 40 Prozent der Inflationsrate ausmachen, einige andere Länder haben einen fixen maximalen Prozentsatz der Steigerung eingeführt, etwa Spanien und Portugal bei 2 Prozent, Frankreich bei 3,5 Prozent, Dänemark befristet bis 2024 mit 4 Prozent.
Auch in anderen Bereichen wie etwa der Gastronomie/Hotellerie ist die Inflation noch immer sehr hoch. Jedoch zeigen nun zahlreiche Untersuchungen von der Österreichischen Nationalbank über den IWF oder das WIFO, dass die Energiepreise nicht allein ausschlaggebend für die Preissteigerungen sind. In vielen Branchen konnten die Unternehmen 2022 ihre Preise stärker erhöhen, als es aufgrund der gestiegenen Produktionskosten notwendig gewesen wäre.
Dadurch stiegen die Gewinnmargen und die Beiträge zur inländischen Inflation. Über alle Branchen hinweg zeigt die OeNB, dass mehr als die Hälfte der Preissteigerungen auf die Gewinne zurückzuführen sind. Mit dieser Erkenntnis sind die Forderungen nach Lohnzurückhaltung nicht wirklich ernst zu nehmen, da die gewerkschaftlichen Forderungen immer auf den bereits eingetretenen Preissteigerungen ansetzen und ansonsten die Umverteilung einzementiert werden würde. Die Lohnpolitik ist jedoch nicht dafür verantwortlich gesamtgesellschaftliche Probleme zu lösen, das ist Aufgabe der Politik.
Kehrseite der Massnahmen
Seit Anbeginn der Teuerungskrise war die österreichische Bundesregierung sehr zögerlich mit dem Einsetzen nachhaltiger Hilfsmaßnahmen, obwohl viele progressive Stimmen die Wichtigkeit von frühen Eingriffen in die Preissetzung der Energieversorgungsunternehmen öffentlich diskutiert haben. Länder wie Spanien, Frankreich oder Portugal zeigen nun als Best Practice Beispiele, wie frühzeitige Eingriffe trotz ähnlicher Kosten zu deutlich niedrigeren Inflationsraten führen. Damit bleiben unsere gewerkschaftlichen Forderungen an die Politik weiterhin aktuell.
Allen voran muss die rasche Weitergabe der sinkenden Energiepreise, sowohl bei Strom als auch Raumwärme, an die Haushalte garantiert werden. Zweitens sind das Aussetzen und eine spätere Deckelung der maximalen Erhöhungen bei Mieten notwendig um die Umverteilung hin zu den Vermieter:innen zu beenden. Drittens müssen rasch wirkende Maßnahmen bei den Lebensmittelpreisen, etwa über eine befristete Aussetzung der Mehrwertsteuer, erfolgen. Auch das Arbeitslosengeld muss endlich erhöht und an den VPI angepasst werden, damit Arbeitslose nicht in die Armut rutschen.
Es ist also festzuhalten, dass die Regierung in der Verantwortung steht, nachhaltige Eingriffe in die Preise vorzunehmen, um die Inflationsraten zu senken. Gewerkschaften werden weiterhin auf der bewährten Vorgehensweise bei den KV-Verhandlungen beruhen. Alles andere wäre eine Inkaufnahme von realen Lohnverlusten, sinkenden Konsumausgaben und dadurch eine weitere Verschlechterung des wirtschaftlichen Ausblicks.
Robin Perner ist Ökonom in der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA