Unerwünschte Wirkungen
David Mum zum Thema Senkung der Lohnnebenkosten
„Die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden“– dieser Satz wurde schon so oft gesagt und gedruckt, dass ihm wohl manche zustimmen würden.
Die Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sowie viele Parlamentsparteien fordern das bei jeder Gelegenheit ein. Scheinbar eignet sich das in jeder Situation. Im Aufschwung, damit die Nettoeinkommen stärker steigen, in der Krise, damit die Beschäftigung gefördert wird. Nun ist das Wort „Nebenkosten“ auch nicht besonders sympathieträchtig. Das klingt schon irgendwie nebensächlich und lästig, wie Nebengebühren, also Zahlungen, die man tätigen muss, aber deren Nutzen man nicht sieht.
Was sind denn nun die Lohnnebenkosten? Lohnnebenkosten sind Kosten, die der Arbeitgeber bei Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen bezahlen muss. Damit ist schon einmal klar, wer von einer Senkung der Lohnnebenkosten profitiert: Der Arbeitgeber. Für die Arbeitnehmer*innen bringt eine Lohnnebenkostensenkung nicht mehr Einkommen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.
Lohnnebenkosten werden auf unterschiedliche Art und Weise definiert. Daher kann man einerseits behaupten, dass die Lohnnebenkosten 23,7 Prozent der Lohnsumme ausmachen. Das klingt jetzt nicht dramatisch viel. Andererseits kann man auch sagen, die Lohnnebenkosten machen fast 100 Prozent des Leistungslohnes aus. Da werden dann schnell Bilder des unersättlichen Staats mitgeliefert, der tief in die Geldbörsen greift. Rein rechnerisch stimmt beides. Wie geht das?
Unbestritten sind Lohnnebenkosten die Abgaben, die der Arbeitgeber zusätzlich zu den Bruttolöhnen abführen muss. Das sind etwa die Beiträge des Arbeitgebers zur Pensionsversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung, zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds, dem Familienlastenausgleichsfonds und der Wohnbauförderungsbeitrag.
Diese Arbeitgeberbeiträge sind daher ganz zentral zur Finanzierung des Sozialsystems, das den Arbeitnehmer*innen zugute kommt. Diese Beiträge dienen zur Pensionsfinanzierung, fließen in das Gesundheitssystem oder kommen über die Familienbeihilfen Familien zugute. Es ist also keineswegs so, dass Lohnnebenkosten Einkommen schmälern. Sie finanzieren vielmehr Einkommen wie die Pensionen, Familienbeilhilfen etc. Darüber hinaus zahlen die Arbeitgeber auf die Lohnsumme die Kommunalabgabe, die den Gemeinden zugute kommt. Damit werden Leistungen der Gemeinden wie Kinderbetreuungseinrichtungen finanziert. Hinzu kommen die Beiträge für die Abfertigung.
Die Sozialbeiträge der Arbeitgeber machten 2020 27,7 Mrd. Euro und Steuern auf die Lohnsumme oder die Beschäftigtenzahl 9,3 Mrd. Euro aus. Insgesamt waren das 23,7 Prozent der Lohnsumme. Und mit diesen Abgaben werden sinnvolle Leistungen finanziert. Eine Senkung dieser Beiträge und Abgaben bedeutet weniger Geld für das Gesundheitssystem, die Pensionen, Unfallspitäler, Rehabilitationseinrichtungen usw.
Wie kann man nun aber behaupten, die Lohnnebenkosten machen nahezu 100 Prozent des Leistungslohnes aus? Diese Zahl kann man herleiten, in dem man zu den „Nebenkosten“ alle Zahlungen hinzuzählt, die der Arbeitgeber zahlen muss, auch wenn man nicht arbeitet. Das bedeutet den bezahlten Urlaub, den bezahlten Krankenstand, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das und die Abgaben werden dann den Zahlungen für die geleisteten Arbeitsstunden gegenübergestellt. Hier ist ganz klar, dass diese „Nebenkosten“ in Wirklichkeit unmittelbar Einkommen der Arbeitnehmer*innen sind. Wer den bezahlten Urlaub, Krankenstand sowie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld als sinnvoll erachtet, sollte mitdenken, dass das auch „Lohnnebenkosten“ sind. Werden diese gekürzt, sind das nichts anderes als Lohnsenkungen.
So betrachtet sind die Lohn“neben“kosten alles andere als nebensächlich:
– Einkommen der Arbeitnehmer*innen (Urlaubs und Weihnachtsgeld), Abfertigung
– Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub
– Sicherung der Entgelte und Ansprüche bei Insolvenzen
– Finanzierung von sozialen Leistungen wie Pensionen, Gesundheitswesen, Unfallspitälern, Versichertenrente nach Arbeitsunfällen, Arbeitslosengeld, Familienbeihilfen sowie Teile der Gemeindefinanzierung
Noch nie haben jene, die die Lohnnebenkosten senken wollen, gesagt, welche der finanzierten Leistungen sie streichen oder kürzen wollen. Dann würde sich nämlich herausstellen, dass das alles sinnvolle Leistungen sind, die den Menschen zugute kommen.
Viel einfacher ist es zu sagen, die Nebenkosten sind zu hoch und müssen gesenkt werden und dabei fälschlicherweise zu suggerieren, dass den Arbeitnehmer*innen höhere Nettoeinkommen bleiben würden. In Wirklichkeit bedeuten geringere Lohnnebenkosten, dass sich nur die Arbeitgeber etwas ersparen und Leistungen für die Arbeitnehmer*innen unterfinanziert oder reduziert werden.
David Mum ist Mitglied der Bundesgeschäftsführung der GPA
Cartoon: Karl Berger, www.zeichenware.at