Tumult im Kindergarten
Heike Fischer zum Thema Kinderbetreuung
Nach wie vor ist es nicht einfach Beruf und Familie problemlos zu vereinbaren. Ein Grund dafür ist unter anderem der Mangel an flächendeckender institutioneller Kinderbetreuung sowohl für unter Dreijährige als auch für Drei- bis Sechsjährige oder für Volksschulkinder.
Aber es geht nicht nur um aufbewahrende Kinderbetreuung sondern auch um Bildung. Kindergärten und andere Formen elementarer Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen waren vor und während Corona für viele Eltern und auch Kinder ein Anker, auf den sie sich verlassen konnten.
Sie waren offen und damit sichere Orte der Zugehörigkeit, Vertrautheit und Verlässlichkeit. Die Beschäftigten in diesen Einrichtungen sind für die Kinder wichtige Bezugspersonen, die sie bei den ersten Erfahrungen außerhalb der Familie und in ihrer Entwicklung bis zum Schuleintritt begleiten. Sie arbeiten professionell und haben die Aufgabe durch Beobachtung, Reflexion, Dokumentation und Planung den Bildungsalltag anregend und vielfältig zu gestalten.
Gezielte Impulse
Fundiert ausgebildete pädagogische Fachkräfte sind notwendig, um eine hochwertige und kindzentrierte Bildungsarbeit zu gewährleisten. Alter, Herkunft und Entwicklungsstand des einzelnen Kindes sind miteinzubeziehen, um es dort abzuholen, wo es gerade steht. Gezielte Bildungsimpulse zu setzen ist nur möglich, wenn die Beschäftigten über das notwendige Fachwissen verfügen.
Aber der Kindergarten hat ein großes Problem: Es fehlt an Pädagog*innen, die in Krabbelstuben bzw. im Elementarbereich arbeiten wollen. Trotz in den letzten Jahren verbesserter relativ hochwertiger Ausbildung entscheiden sich, ähnlich wie in der Pflege, mehr als 50 Prozent der Kindergartenpädagog*innen innerhalb kurzer Zeit, nicht mehr in diesem Beruf zu arbeiten. Auch die Zahl der Langzeitkrankenstände und die hohe Drop-out Quote zeigen, dass selbst die, die den Beruf gerne ausüben würden, es auf Grund der Arbeitsbedingungen nicht mehr schaffen. Was also ist los in den Kindergärten?
Berufsfeld muss stimmen
Die Rahmenbedingungen, die Anforderungen an sowie die Anerkennung für das Berufsfeld stimmen nicht. Die Gruppen sind zu groß, ebenso der Betreuungsschlüssel. Es mangelt an ausreichend Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Gruppenarbeit und für Leitungsaufgaben.
Es gibt kaum Möglichkeiten zur Reflexion und Supervision. Es wird unheimlich viel verlangt, aber bezahlt wird das in keiner Weise. Es fehlt an pädagogischen Fachkräften und an fairer angemessener Bezahlung. Die Leiterin eines Wiener Privatkindergartens sagt: „Was wir in den Kindergärten haben, ist strukturelle Gewalt gegen Kinder.“ Die Arbeitsbedingungen in den Kindergärten sind häufig schlichtweg grenzwertig.
Mit großen Demos von Beschäftigten aus Kindergärten in Wien und Graz hat sich der angestaute Ärger entladen. Gefordert werden weniger Kinder pro Gruppe, gesetzliche Verankerung von Vor- und Nachbereitungszeit sowie Reflexionszeit und ein gleichwertiges Entlohnungssystem, da es im Kindergartenbereich bundesweit mehr als zehn unterschiedliche Gehaltstafeln gibt. Von denen ist übrigens nicht eine fair und angemessen und von gesellschaftlicher Wertschätzung zeugend.
Den Protesten in Wien und Graz anschließen werden sich auch die oberösterreichischen Beschäftigten im Bereich der Kinderbildung und -betreuung und hoffentlich bald auch anderer Bundesländer. Obwohl Kindergärten Ländersache sind und sich viele Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, sind die schwierigen Rahmenbedingungen doch überall dieselben und mittler- weile untragbar geworden.
Forderung an Regierung
Die Bundesregierung ist gefordert, dass es zu Neuverhandlungen der 15a-Vereinbarungen mit den Ländern zu den Kindergärten kommt. Neben den Sofortmaßnahmen kann es nicht nur um die materielle und personelle Ausstattung gehen, sondern Brennpunktthemen müssen auch Öffnungszeiten, Mittagessensangebote, Sommerferienbetreuung und Schließzeiten pro Arbeitsjahr sein. Um hier Verbesserungen im Sinne berufstätiger Mütter und Väter zu erreichen ist Grundvoraussetzung, dass wieder mehr Menschen bereit sind im Berufsfeld der Kinderbildung und -betreuung zu arbeiten.
Die Proteste können nur ein Auftakt für eine bundesweite Kampagne sein. In Oberösterreich haben sich bereits die Gewerkschaften younion und GPA zusammengeschlossen und gemeinsam mit den Betriebsrät*innen aus diesem Bereich Forderungen für verbesserte Rahmenbedingungen aufgestellt und Aktionen geplant.
Unter dem Druck der Straße sollte es doch endlich gelingen, Minister Faßmann aus dem Corona-Schlaf zu wecken. Denn bislang hat das Bildungsministerium die Gewerkschaften noch nicht zum Beirat für Elementarpädagogik eingeladen. Geht so Sozialpartnerschaft?
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im
Diakonie Zentrum Spattstraße in Linz