Streiks konnten Blockaden brechen

Anne Rieger über Arbeitskämpfe in Deutschland

Durch 34 Tage Streik erkämpften die Beschäftigten der Charité (der größten europäischen Universitätsklinik), der Berliner Vivantes-Kliniken und ihrer Töchter sowie von Labor Berlin (dem gemeinsamen Tochterunternehmen von Charité und Vivantes) ein Eckpunkte-Papier für einen Kollektivvertrag „Gesundheitsfachberufe Charité“.

Danach werden in den nächsten drei Jahren mehr als 700 zusätzliche Beschäftigte in der Pflege eingestellt. Es wird neue Richtwerte für die Personalbemessung für bestimmte Stationen wie Intensivstationen geben, ebenso für Operationssäle und Zentrale Notaufnahmen.

Es war einer der härtesten und längsten Arbeitskämpfe im Gesundheitswesen in Deutschland zieht die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di das Fazit. Unterstützt wurde er von Demonstrationen, unter anderem von 5.000 Menschen einer Demonstration der Berliner Krankenhausbewegung „Wir retten euch – Wer rettet uns?“.

Der Arbeitskampf strahlte aus: Beschäftigte von zwei Vivantes-Töchtern erzwangen nach sechs Wochen Arbeitskampf rückwirkend zum 1. Juli eine Lohnerhöhung von 2,5 Prozent und 1.500 Corona-Zahlung für alle Beschäftigten.

150 Kolleg*innen der Asklepios-Kliniken in Brandenburg folgten mit einem sechstägigen Streik. Ziel ist es, an den drei Asklepios-Standorten in Brandenburg an der Havel, Teupitz und Lübben höhere Gehälter durchzusetzen. Denn die rund 1.450 Brandenburger Beschäftigten verdienen teilweise bis zu 10.600 Euro weniger im Jahr als bei Asklepios in Hamburg. Der Arbeitskampf hält noch an.

Lohnsteigerungen

In drei Streikwellen, die letzte betrug fünf Streiktage, erreichten die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer GDL 1,5 Prozent mehr Lohn ab Dezember 2021 und 1,8 Prozent ab März 2023. Corona-Prämien von 400 bzw. 600 Euro werden im Dezember 2021 und weitere 400 Euro im März 2022 ausgezahlt.

Die Laufzeit des Kollektivvertrages endet nach 32 Monaten am 31. Oktober 2023. Die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG – die Eisenbahner in Deutschland sind in zwei getrennten Gewerkschaften organisiert – hat im Rahmen der Laufzeit vergleichbare Entgelterhöhungen abgeschlossen.

Hier kaum bekannt, ging es bei den Streiks auch um hochpolitische Fragen: Erstens um das Tarifeinheitsgesetz, das, entgegen seinem Namen, zur Vertiefung der Spaltung der Gewerkschaften führt. Zweitens um den Einflussbereich der GDL im Bahnkonzern und drittens um die Betriebsrente.

Differenzierung verhindert

Auch im Handel mussten die in ver.di organisierten Gewerkschafter*innen für die 5,1 Mio. Beschäftigten die Lohnsteigerungen erstreiken. Nach mehrmonatigen – durch zahlreiche Streiks und öffentliche Aktionen geprägte – Kollektivvertragsauseinandersetzungen konnten die Entgelte rückwirkend zum 1. August bzw. zum 1. September um 3 Prozent und zum 1. April 2022 (1. Mai 2022 in Nordrhein-Westfalen) um weitere 1,7 Prozent erhöht werden. Die Ausbildungsvergütungen steigen in beiden Abschlußjahren in allen Ausbildungs- jahren um jeweils 20 bzw. 30 Euro.

„Neben der materiellen Erhöhung der Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen ist es uns gelungen, die von den Arbeitgebern lange Zeit favorisierte Differenzierung der Branche und damit von ihnen abgeleitete Ungleichbehandlung der Beschäftigten verschiedener Bereiche des Einzel- und Versandhandels zu verhindern. Unsere Forderung ‚Gleiche Erhöhung für alle im Handel‘ war nicht nur populär unter den Beschäftigten, sondern fand auch eine positive Resonanz in der Öffentlichkeit“, so der Verhandlungsführer in Nordrhein- Westfalen. „Erneut konnten wir eine überproportionale Erhöhung für die unteren Entgeltgruppen erreichen“.

Kämpfen lohnt

Die bisherigen Abschlüsse hätten gezeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen, hieß es aus ver.di-Kreisen. Die Angriffe auf das Streikrecht durch Unternehmer und Dienstgeber durch einstweilige Verfügungen, sind sowohl von den Ver.di Kolleg*innen, als auch von den Eisenbahner*innen abgewehrt worden.

Anfang September war bekannt geworden, dass die CDU-Mittelstandsvereinigung vor dem Hintergrund der Streiks bei der Deutschen Bahn forderte, Arbeitsniederlegungen in wichtigen Infrastruktur- und Versorgungsbetrieben wie etwa dem Schienenverkehr oder dem Gesundheitswesen mit Ankündigungsfristen und Zwangsschlichtungen massiv einzuschränken. Dazu Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender: „Wer Hand an das Streikrecht legt, muss mit dem entschiedenen Widerstand von ver.di rechnen.“

Die notwendig gewordenen Streiks zeigen, mit welcher Härte das Kapital den Klassenkampf von Oben führt, bleiben die Ergebnisse doch unter der Inflationsrate. Sie zeigen aber auch, was bei gemeinsamen Arbeitskampf erreicht werden kann. Und sie erinnern an den 114tägigen Streik im Winter 1956 in Schleswig-Holstein, als 34.000 Beschäftigten in der Metallindustrie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter*innen, gegen den Widerstand des Kapitals, durchsetzten.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB

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