Sie kämpften für die Freiheit
Ein Buchtipp von Heide Bekhit
„Ich bin gefallen, damit diejenigen, die nach mir leben werden, so frei leben können, wie ich es so sehr gewollt habe.“ Dieser Satz aus einem Abschiedsbrief der belgischen Widerstandskämpferin Marguerite Bervoets (1914-1944) bringt zum Ausdruck, was zahlreiche Widerstandskämpferinnen gegen den Faschismus in Europa in die Waagschale geworfen haben: ihr gesamtes Wesen und Wagen – und am Ende oft das eigene Leben.
Das Buch „Mit Mut und List“ von Florence Hervé beleuchtet das Leben von 75 Frauen aus mehr als 20 Ländern, die, jede auf ihre Weise, für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, für internationale Solidarität und ein friedliches Zusammenleben der Völker gekämpft haben, „…ohne Anspruch auf Repräsentativität und Vollständigkeit“.
Wunsch nach Freiheit
24 Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen aus ganz Europa haben die Biographien geschrieben. Ob die im Buch vorgestellten Frauen Kommunistinnen oder Sozialdemokratinnen waren, ob sie aus christlichen oder humanistischen Motiven gehandelt haben, sie alle verband der Wunsch nach Freiheit.
Zahlreiche Widerstandskämpferinnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. Andere, die überlebt haben, haben auch danach noch ihr ganzes Leben als Mahnende, als Kämpferinnen gegen Unrecht und Rassismus, für Frieden und Solidarität sowie als Zeitzeuginnen in den Dienst der Allgemeinheit gestellt.
Nur wenige von ihnen sind heute noch am Leben. Diese Frauen und ihr Lebenswerk zu würdigen und vor dem Vergessen zu bewahren, ist das Verdienst dieses Buches.
Pflaster auf vielen Wunden
Etty Hillesum (1914-1943), Widerstandskämpferin aus den Niederlanden, war es nicht vergönnt, die deutschen Besatzer und ihr Werk der systematischen Judenvernichtung zu überleben. In ihren Tagebüchern schrieb sie: „Man möchte ein Pflaster auf vielen Wunden sein“, oder, an anderer Stelle: „…Ich finde das Leben sinnvoll, trotzdem sinnvoll“. 1943 wurde sie gemeinsam mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Allein dem Zufall…
Die griechische Widerstandskämpferin Maria Beikou (1926-2011), die bereits mit 18 in den Bergen gegen die deutschen Besatzungstruppen kämpfte und später lange Jahre im Exil leben musste, betonte stets: „Dass ich noch am Leben bin, verdanke ich allein dem Zufall. Die Kugel, die mir galt, traf meinen Nebenmann…“
Wie war es möglich, im Rahmen einer systematischen Vernichtung binnen zwei bis drei Monaten rund 300.000 Jüdinnen und Juden, Männer, Frauen, Kinder, aus dem Warschauer Ghetto ins Vernichtungslager Treblinka zu deportieren und dort zu ermorden, ohne dass jemand die Täter gestoppt hat? Angesichts dieser Tatsache muss der Umstand, dass es der Sozialarbeiterin und Leiterin der Kindersektion der polnischen Untergrundorganisation Zegota, Irena Sendler, gelang, rund 2.500 jüdische Kinder aus dem Warschauer Ghetto zu retten, als schier unglaublich anmuten.
Facetten des Widerstandes
Ob Kurier- und Spionagedienste, Kriegsreportage, das Verstecken und Versorgen Verfolgter oder bewaffneter Widerstand, ob Schweigen unter Folter oder das Teilen einer Möhre mit vier anderen im KZ, das Buch von Florence Hervé hilft uns, die vielen Facetten des Widerstandes von Frauen gegen Faschismus und Krieg zu ermessen und es macht Mut, sie uns zum Vorbild zu nehmen, wann immer dies wieder erforderlich sein sollte.
Florence Hervé (Hg.), Mit Mut und List, Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg, PapyRossa Verlag, 2020
Heide Bekhit ist Vertragsbedienstete und KPÖ-Bezirksrätin in Graz- Innere Stadt