Reallohnverluste im öffentlichen Dienst

Trotz angekündigter Proteste haben sich die GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) und die Younion (ehemals Gewerkschaft der Gemeindebediensteten) kurzfristig auf einen fatalen Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst geeinigt. Der Abschluss betrifft die Bundesbediensteten, aber auch Landes- und Gemeindebedienstete, da das Ergebnis meist übernommen wird. Reallohnverluste sind zementiert für die nächsten 2 Jahre.

Bei den öffentlich Bediensteten geht es nicht nur um die immer weniger werdenden Beamten in den Ministerien und Magistratsabteilungen, sondern vor allem um viele verschiedene Berufe der Daseinsvorsorge wie Krankenpfleger:innen, Lehrer:innen, Müllabfuhrmitarbeiter:innen etc. In diesen Bereichen fehlen bereits jetzt viele Mitarbeiter:innen. Die anstehenden Pensionierungswellen werden das Problem weiter verschärfen. Die betroffenen Kolleg:innen halten die Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen am Laufen und verdienen als Vertragsbedienstete im Schnitt weniger als Angestellte in der Privatwirtschaft. Sie hätten sowohl eine Reallohnerhöhung als auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen verdient, z.B. eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.

Bereits im Sommer wurde die Bundesregierung um die Aufnahme von Lohnverhandlungen kontaktiert. Eine Antwort blieb jedoch aus. Im November hat sich diese Gemengelage dann verdichtet, neoliberale Think Tanks und der Rechnungshof haben – abseits jeder gesellschaftlichen Verankerung – Nulllohnrunden für alle bei Bund, Ländern und Gemeinden beschäftigten Mitarbeiter:innen in den Raum gestellt. Das hat dann natürlich berechtigten Widerstand hervorgerufen, wobei natürlich nicht ganz sicher ist, ob diese Gerüchte nicht auch gezielt lanciert wurden, um einen lächerlichen Abschluss zu relativieren.
 
Die GÖD hat – auch im Vorfeld der Bundespersonalvertretungswahlen – Protestaktionen angekündigt, die Younion war nur mit einer Unterschriftenaktion dabei.

Große Demo angekündigt – dafür geheime Verhandlungen

Dann kam der Tag der Protestmaßnahmen am 26.11., eine große Demo mit bis zu 30.000 Teilnehmer:innen vor dem Ballhausplatz war geplant. Das wäre eine große Unmutsbekundung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gewesen.
 
Doch selbst in den Gewerkschaftsausschüssen in Großbetrieben wurde am Vortag nicht kommuniziert, dass es bereits Geheimverhandlungen zwischen der Gewerkschaftsführung und der Übergangsregierung gab.

Die Beschäftigten wurden in Bussen herbeigeschafft, als es schon fast klar zu sein schien, dass eine „Einigung“ kurz bevorstand. Diese Busse kehrten kurz vor der Kundgebung um (z.B. von Graz nach Wiener Neustadt). Es gab also geheime Verhandlungen, während die Protestaktionen im Aufbau waren. Eine große Bühne, Zelte etc. wurden teuer angemietet und nach der Absage nach der Kundgebung ungenutzt wieder abgebaut. Geht man so mit Gewerkschaftsgeldern um? Und vor allem: Geht man so mit den Protesten und dem Unmut der Beschäftigten um? Der Unmut an der Basis ist deutlich spürbar, auch wenn sozialpartnerschaftlich kalmiert wird.

Mieser Abschluss mit Reallohnverlusten

Schließlich wurde wenige Stunden vor der Protestkundgebung ein Abschluss erzielt, der die Reallohnverluste des letzten Jahres (+3,5% im Durchschnitt bei einer rollierenden Inflation von 3,8%) nicht ausgleicht, sondern für das nächste Jahr überhaupt nicht verhandelt wird. Denn dann gibt es gnädigerweise die 0,3% über der Inflation, also Ausgleich erst nach 2 Jahren, die Preissteigerungen davor dürfen weiter von den Beschäftigten bezahlt werden. Gerade bei den Geringverdienern ist die reale Inflation durch steigende Mieten und Energiepreise viel höher!

Was in diesem Abschluss überhaupt nicht berücksichtigt wurde: Die prekären Arbeitsbedingungen in allen Bereichen, in denen soziale Dienstleistungen von der öffentlichen Hand erbracht werden. Es gab keine Diskussion über Verbesserungen im Dienstrecht, keine Diskussion über – wenn auch marginale – Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich. Nach wie vor arbeiten die meisten Beschäftigten im öffentlichen Dienst in der 40-Stunden-Woche. Lehrer:innen, Pfleger:innen und alle anderen wichtigen Berufe danken für nichts!

In den Mangelberufen der Daseinsvorsorge löst dieser Abschluss nicht gerade Jubel aus. So kann es nicht weitergehen und die Jobs werden für Neueinsteiger:innen immer weniger attraktiv. Im Bildungsbereich wird schon seit Jahren der Notruf in Bezug auf die Arbeitsbedingungen ausgerufen und auch hier gelingt es immer weniger Menschen für diesen Bereich zu begeistern. Auch in allen anderen Bereichen, die einen direkten Dienst an der Bevölkerung leisten, ist der Nachwuchs rar, immer weniger wollen sich die schlechten Arbeitsbedingungen mit teilweise Nacht- und Wochenenddiensten antun.

Waren die Proteste ernst gemeint?
 
Es stellt sich die Frage, ob diese Proteste wirklich ernst gemeint waren oder nur eine Wahlkampfstrategie innerhalb der GÖD? Die Younion hielt sich jedenfalls bedeckt.
 
Die richtige Antwort gaben ca. 400 Aktivist:innen und Gewerkschafter:innen aus dem Bildungsbereich. Sie kamen trotzdem zur geplanten, aber abgesagten Demo und organisierten spontan einen „wilden“ Demonstrationszug vom Ballhausplatz zur GÖD-Zentrale. Es gab Slogans wie „Wir sind stark, wir sind laut, weil ihr der Bildung die Zukunft klaut“. Auch der GLB unterstützte diese Demonstration. Beim Abschluss vor der GÖD-Zentrale wurde lautstark „Kommt raus!“ gerufen. Natürlich kam niemand heraus, um sein Abstimmungsverhalten zu erklären. Was aber bei einer Gewerkschaft, die wie jede Interessenvertretung vor allem aus Basismitarbeiter:innen besteht, notwendig gewesen wäre.

Sozialpartnerschaftliche Selbstaufgabe
 
Übrig bleibt: Eine Personalvertretungswahl auf Bundesebene, bei der die FCG in der GÖD etwa gleichauf lag, alternative Listen wie die ÖLI, die aber auch keine wirklichen Proteste organisiert, etwas zulegen konnten. Proteste, die zwar organisiert, dann aber halbherzig abgesagt wurden. Nach wie vor keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst und Reallohnverlust für mindestens 2 Jahre. Keine Antwort auf die Frage, wie dem bereits bestehenden und weiter drohenden Personalmangel durch bessere Arbeitsbedingungen begegnet werden soll.
 
Es gab keine Urabstimmung, keine Mitgliederbefragung. Die Bonzen haben es unter sich ausgemacht. So bringt man niemanden in Mangelberufe! Es braucht eine Initiative von unten! Wir müssen jetzt gemeinsam in den Betrieben auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene dafür kämpfen, dass das nicht die letzte Entscheidung für 2 Jahre ist!

Wir halten fest:

1.) Geheimverhandlungen vor Protestaktionen sind unentschuldbar! Die Gewerkschaften sind das verlängerte Sprachrohr der Beschäftigten und nicht ein ausgemachter Klüngel!

2.) Gewerkschaftliche Protestmaßnahmen, die dann kurzfristig für einen faulen Kompromiss abgesagt werden enttäuschen und machen die Betroffenen wütend!

3.) Es muss auch im öffentlichen Bereich Urabstimmungen über die Verhandlungsergebnisse geben, sonst könnte jeder an der Basis denken, wir werden nicht eingebunden! Auch ein Streik wäre denkbar, um die Bedeutung der Daseinsvorsorge zu unterstreichen!

Dazu kommen Gerüchte, dass schwarz und hellrot dominierte Gewerkschaften wie GÖD und Younion auch politisch in die Koalitionsverhandlungen eingreifen. Sie wollen möglicherweise Proteste klein halten um Schwarz(Türkis)-(Hell)Rot-Pinken Koalitionverhandlungen nicht zu beeinflussen. Gerade die SPÖ könnte da auf die Idee gekommen sein zu zeigen, dass man im sozialpartnerschaftlichen Boot sitzt und beweisen will, dass man die Gewerkschaften im Griff hat. Dabei stellen selbsternannte Kapazunder der NEOS wie Schellhorn sogar diesen enttäuschenden Abschluss in Frage, während sie selbst über 10.000 Euro pro Monat abkassieren.

„Wir brauchen gerade im öffentlichen Dienst mehr Mitbestimmung der Basis in den Gewerkschaften. Urabstimmungen über Verhandlungsergebnisse jetzt!“

Patrick Kaiser, Intensivkrankenpfleger, Personalvertreter im WiGeV sowie AK-Rat

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