Raubrittertum einen Riegel vorschieben
Aus dem Bausektor kommen viele Klagen über die Rezession in der Baubranche. Tatsächlich ist die österreichweite Anzahl ausgestellter Baubewilligungen von über 80.000 in den Jahren 2017 und 2019 in den Folgejahren deutlich gesunken.
2023 wurde mit 46.565 Baubewilligungen der zweitniedrigste Wert seit 2005 erreicht. Mit über 70.000 neu fertiggestellten Wohnungen 2023 geht die Zahl der Baufertigstellungen gegenüber dem Vorjahr dagegen nur leicht zurück. Doch der zuletzt sehr deutliche Rückgang der Bewilligungen wird sich erst in den nächsten Jahren auswirken.
Denn die Anzahl der Fertigstellungen hinkt der Anzahl der Baubewilligungen hinterher. So liegt die durchschnittliche Baudauer für 2023 fertiggestellte Bauprojekte bei rund zwei Jahren. Es verwundert daher wenig, dass die Baubranche nun den Teufel des Wohnungsnotstands an die Wand malt, der in den Ballungsräumen schon längst mit am Tisch sitzt.
Anstieg des Bauvolumens
Die Kehrseite der Medaille: Die Baubranche verzeichnete in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen massiven Anstieg des Bauvolumens. Seit der Finanzkrise von 2007 erlebte das Immobiliengeschäft einen regelrechten Boom, der von privaten und gewerblichen Bauträgern ausgelöst wurde. Gleichzeitig sind die Wohnkosten explodiert und neue Wohnungen wurden für breite Gesellschafts- schichten unbezahlbar teuer.
Wer kann sich schon eine Neubauwohnung für über 8.000 Euro pro Quadratmeter leisten? So kommt es zu dem folgenden Widerspruch: Mit über 46 Quadratmeter pro Kopf steht uns heute theoretisch mehr Wohnraum zur Verfügung als je zuvor.
Gleichzeitig finden Menschen mit niedrigem Einkommen immer schwerer eine leistbare Wohnung. Wer reich ist, logiert in einer luxuriösen Penthouse-Wohnung und kann nebenbei sein Immobilienkapital für sich arbeiten lassen.
Pech gehabt…
Wem das nötige Kleingeld dafür fehlt, hat eben Pech. Wohnungspolitik ist also nicht an der Anzahl der gebauten Wohnungen zu messen, sondern vor allem daran, wem diese zugänglich gemacht werden. Die Hochglanzbroschüren der „Immobilienentwicklern“ sind nicht auf Menschen zugeschnitten, die ein Dach über dem Kopf brauchen, sondern auf eine Käufer:innenschicht, die Wohnungen als Lifestyle-Produkte oder Anlageobjekte erwirbt. Es geht also um satte Renditen und Profite.
Solche Wohnungen stehen nach Fertigstellung und Kauf nicht selten jahrzehntelang leer. Denn das Bewohnen dieser Anlageobjekte bedeutet einen Wertverlust, der durch Leerstehenlassen vermieden wird. Aus den Daten des Leerstands- Monitorings der Stadt Innsbruck geht hervor, dass die Leerstandsquote im Neubau (rund 14 Prozent) im Verhältnis zur Leerstandsquote im Gesamtwohnungsbestand der Stadt (rund neun Prozent) überproportional hoch ist.
Dieser Leerstand im Neubau tritt außerdem fast ausschließlich im privaten und gewerblichen Wohnungssektor auf, obwohl im selben Erhebungszeitraum mehrere größere kommunale und gemeinnützige Bauvorhaben fertiggestellt wurden.
Die Politik hat sich in den letzten Jahrzehnten darauf verlassen, dass der private Markt das Wohnbedürfnis der Menschen schon befriedigen würde. Nach Jahrzehnten des gewerblichen Baubooms legen die erhobenen Daten das Versagen dieser verfehlten Politik offen. Am Fließband wurden etwa in Innsbruck in vergangenen Gemeinderatsperioden Baubewilligungen an private Bauträger erteilt.
Allein das „Schließen von Baulücken“ wurde bisweilen als hinreichender öffentlicher Mehrwert von Planänderungen nach dem Gusto von Investoren angesehen. So wurde und wird Menschen ohne Spitzengehälter seit Jahrzehnten der Zugang zu angemessenem Wohnraum verbaut, und zwar wortwörtlich.
Die öffentliche Hand kommt kaum mehr an das benötigte Bauland, weil dieses dank der großen Nachfrage gewerblicher Bauträger schlicht zu teuer geworden ist. Investoren ziehen wie Raubritter durch die Städte und kaufen alles auf, was nicht niet- und nagelfest ist. Wertvoller Boden, der für die Deckung grundlegender menschlicher Bedürfnisse benötigt wird, wird für das Profitstreben einiger weniger vergeudet.
Spekulation eindämmen
Das ist gerade in einer Zeit, in der der Flächenverbrauch auch aus klimapolitischen Gründen schnellstens eingedämmt werden müsste, politisch nicht mehr vertretbar. Und tatsächlich sind immer mehr Gemeinden bereit, ihre raumplanerischen Gestaltungsspielräume auszuschöpfen, um der Spekulation mit Grund und Boden einen Riegel vorzuschieben.
Natürlich reagieren Investoren darauf auch mit Klagsdrohungen und Klagen. Die Gemeinden dürfen sich davon allerdings nicht erpressen lassen, sondern sie müssen die Interessen der Bevölkerung vertreten, und zwar knallhart.
Roland Steixner ist Betriebsrat bei G4S und Ersatzgemeinderat der Alternativen Liste Innsbruck