Preise steigen nicht, sie werden erhöht

Anne Rieger über die Profit-Preis-Spirale

Die Erhöhung der Preise – Inflation genannt – ist der Raubzug auf unsere Einkommen und mühsam angesparten Rücklagen. Im März lag die Inflationsrate bei 9,1 Prozent. Auch wenn sie sinkt, also niedriger ist als im Monat davor, steigen doch die schon hohen Preise um weitere 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Höhere Primäreinkommen

Was ist zu tun? Entlastungspakete der Regierung, die aus unseren Steuergeldern bezahlt werden, beheben das Problem nicht. Vorrangig brauchen wir dauerhaft höhere Löhne und Gehälter: Um die Preisdifferenz auszugleichen und um die von uns selbst erarbeitete Produktivität abzugelten. Beides zusammen ergibt erst eine verteilungsneutrale Erhöhung der Einkommen. Um den Anteil für die Beschäftigten am wirtschaftlichen Erfolg zu sichern braucht es zusätzlich eine Umverteilungskomponente.

Es ist der Kampf um einen höheren Anteil der Beschäftigten an der Wertschöpfung, gegen den Anstieg der Ausbeutungsrate. So liegen die Gewerkschaften mit ihren Forderungen nach 12,9 Prozent in der Elektroindustrie und mit 10,6 bei den Banken in der richtigen Richtung. Aber von Umverteilung zu unseren Gunsten kann damit noch keine Rede sein.

Das Gegenteil fordert sogar Holger Bonin, neuer Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Lohnzurück- haltung zu betreiben, ist hier ein wichtiger Punkt“, lässt er uns wissen. Gabriel Felbermayr, Chef des Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), assistiert ihm mit der Forderung „Mäßigung in der Lohnpolitik“. Und damit wir gar nicht erst auf den Gedanken höherer Lohnforderungen kommen, nimmt er auch gleich das Wort Lohn-Preis-Spirale in den Mund.

Profit-Preis-Spirale

Der Begriff Lohn-Preis-Spirale ist der ideologische Begriff, um die Erhöhung der Preise durch Erzeuger und Händler, durch Spekulanten, Aktionäre und andere Profiteure zu verschleiern. Wenn man schon von einer Spirale reden mag, müsste man von einer Preis-Lohn-Spirale sprechen. Zuerst werden stets von der Kapitalseite die Preise erhöht. Preise steigen nicht (von selbst), sowenig wie die Inflation explodiert. Teuerung ist kein Naturereignis.

Warum steigen die Preise? Hat sich die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit für die Erzeugung von Lebensmitteln, Gasförderung oder Stromerzeugung erhöht? Inflationsursache Nummer eins ist die Erhöhung der Preise der fossilen Brennstoffe. Erdöl und Erdgas sind die wichtigsten Rohstoffe für Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Stromerzeugung. Eine erste Erhöhung wurde 2021 vollzogen, als die nach den Corona-Maßnahmen wieder anziehende Weltnachfrage nach Erdöl und Erdgas auf ein reduziertes Angebot traf, verursacht durch die Wirtschaftsblockaden gegen den Iran und Venezuela.

Der zweite Preisschub wurde Anfang vergangenen Jahres durch die Sanktionen der Regierungen der westlichen Länder gegen Russland ausgelöst. Diese Preiserhöhungen haben fast überall auf der Welt eine seit 50 Jahren nicht gekannte Profit-Preis Spirale hervorgerufen.

Der Ökonom Klaus Müller beschreibt die Inflationsursache Nummer zwei: Die Preistreiberei. „Die Preise sind originär; Preistreiber sind die Börsenspekulation, monopolistische Marktmacht, Profitstreben und Inflationserwartungen. Kapitalistische Unternehmer setzen die Preise. Sie kalkulieren die Kosten nicht auf Basis der Einstandspreise, sondern der zu erwarteten höheren Wiederbeschaffungspreise. Dadurch steigen die Preise nicht, weil die Kosten gestiegen sind, sondern die Kosten steigen, weil mit höheren Preisen gerechnet wird“. So wird eine Preiserhöhung durch den „Zukunftstblick“ jedes Unternehmers durch die nächste getoppt.

Preisregulierung

Die Regierungen können mit einfachen Gesetzen den Anstieg der Spirale verzögern. Die spanische Regierung macht es vor. Mieten dürfen nur um zwei Prozent steigen. Bereits im Frühsommer wurde eine Gaspreisbremse eingeführt, die sich auch dämpfend auf die Strompreise auswirkt.

Eigentumsverhältnisse

Die Diskussion um die angebliche Lohn-Preis-Spirale soll verunsichern, besonders aber ablenken von der Entstehung des Mehrwerts an seiner Quelle im Arbeitsprozess, im Ausbeutungsverhältnis. Sie lenkt ab vom Eigentum der Kapitalisten an den gesellschaftlich relevanten Produktionsmitteln, das den Ausbeutungsprozess erst ermöglicht und die darauf auf- setzenden weiteren Preiserhöhungen.

Wir müssen die Eigentumsverhältnisse an den gesellschaftlich relevanten Produktionsmitteln in den Mittelpunkt der Diskussion um die KV-Verhandlungen stellen. Um uns einen höheren Anteil an den von den Beschäftigten erarbeiteten Werten zu erkämpfen – eine wirkliche Umverteilung – reicht die Abgeltung der von den Besitzenden hergestellten Inflation nicht aus, auch nicht die Abgeltung der Produktivität. Zur Umverteilung der erarbeiteten Werte braucht es die drei Schritte Inflation, Produktivität plus Umverteilungskomponente.

Anne Rieger ist Mitglied im erweiterten Bundesvorstand des GLB

Cartoon: Karl Berger

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