Potenzial ist vorhanden
Georg Erkinger zum Thema Wertschöpfungsabgabe.
Einmal jährlich analysiert die Arbeiterkammer Oberösterreich die Jahresabschlüsse von großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften in Österreich.
Dabei berechnet sie einen „Wertschöpfungsbarometer“ und misst damit den Überschuss der Wertschöpfung, also der Produktivität pro Kopf über den Personalaufwendungen.
Aufgrund der zeitlichen Verzögerung der Veröffentlichung der Jahresabschlüsse, liegen aktuell erst die Zahlen für 2019 vor. Die Wertschöpfung pro Beschäftigten betrug dabei rund 100.000 Euro, der durchschnittliche Personalaufwand jedoch nur ca. 65.000 Euro, womit sich ein Überschuss von rund 35.000 Euro pro Kopf ergibt.
Kräftige Ausschüttungen
Von diesem Überschuss wurden wiederum 15.490 Euro als Gewinn ausgeschüttet. Die Gewinnauszahlung an die Eigentümer*innen erreichte damit einen 10-Jahres Rekord.
Das Wertschöpfungsbarometer widerlegt damit deutlich die Formel des früheren Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl „Die Gewinne von heute sind die Arbeitsplätze von morgen“.
Erarbeiteter Mehrwert
Die Studie macht deutlich, dass Eigentümer*innen und Aktionär*innen einen viel zu großen Anteil des von den Lohnabhängigen erarbeiteten Mehrwerts zur Mehrung privaten Reichtums missbrauchen oder am Kapitalmarkt verzocken statt zukunftsorientiert und am Gemeinwohl orientiert in die Unternehmen oder in den Sozialstaat zu investieren.
Die Kollektivvertragsabschlüsse bleiben hinter der Produktivität zurück, die Kapitalseite verstärkt den Druck zur Senkung von Löhnen und Lohnnebenkosten, das Missverhältnis zwischen Produktivität und Lohn wird größer, die Sonntagsreden von sozialer Marktwirtschaft und Sozialpartnerschaft werden ad absurdum geführt.
Zeit für Wertschöpfungsabgabe
Der GLB sieht sich durch die Studie in der Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe bestärkt. Diese visionäre Idee des früheren Sozialministers Alfred Dallinger (SPÖ) wurde bekanntlich Anfang der 1980er Jahre durch mediale Verteufelung als „Maschinensteuer“, „Experimentierfeld für linke Steuerideen“, „Vertreibungssteuer“ und „Unfug“ zu Fall gebracht.
Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auf Wertschöpfungsbasis soll der Rationalisierung Rechnung tragen und Unternehmen mit hohem Personaleinsatz entlasten, scharf rationalisierende Unternehmen hingegen stärker belasten, was eigentlich auch im Interesse der Wirtschaftskammer und der von ihr vertretenen Klein- und Mittelbetriebe liegen müsste.
Georg Erkinger ist GLB-Bundesvorsitzender und Arbeiterkammerrat in der Steiermark
Infografik: AKOÖ