Pflegereform: Rauch mit etwas Löschwasser
Gesundheitsminister Rauch hat die „Pflegereform“ präsentiert. Die ominöse Pflegemilliarde soll endlich Fleisch bekommen. 2022 und 2023 soll die Hälfte der Summe in höhere Löhne und Gehälter der Pflegebediensteten fließen. Wie das passiert und wieviel es den/der Einzelnen bringen wird, werden erst die künftigen KV-Lohnrunden zeigen.
Ein wirkliches Mehr an Entlohnung ist es nur dann, wenn nicht nur die hohe Teuerungsrate abgegolten wird, sondern zusätzlich ein deutliches Mehr in die Gehaltstüten der Gesundheitsarbeiter*innen fließen wird. Wird das versprochene Mehr nicht als Gehalt oder Lohn, sondern als Bonus ausbezahlt ist das noch schlimmer. Denn dann wirkt die „Erhöhung“ weder nachhaltig und noch ist sie nach Ablauf der zwei Jahre gesichert.
Positiv ist sicherlich die Ankündigung der sechsten Urlaubswoche – unabhängig der Betriebszugehörigkeit – für alle über 43-jährigen Pflegebeschäftigten. Das und die zwei Stunden Zeitguthaben beim Nachtdienst sind zumindest ein Ansatz der Verkürzung der anstrengenden und krankmachenden Arbeitszeit des Gesundheitspersonals. Vergessen, oder besser gesagt gar nicht gewollt, ist offensichtlich eine generelle Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich im Pflege- und Gesundheitsbereich. Aber nur eine solche würde die unmenschlichen Belastungen deutlich und nachhaltig reduzieren.
Ebenso ein positiver Ansatz sind die Einführung des Ausbildungszuschusses und -stipendiums. Nur, die 600 Euro des Zuschusses sind nicht einmal die Hälfte der Armutsgrenze und die 1.400 Euro Stipendium zwar etwas darüber, aber trotzdem bescheiden und nicht existenzsichernd.
Absolut negativ zu bewerten ist die kommende Pflegelehre. Der „Dienst am Pflegebett“ bringt eine außerordentliche große psychische und physische Belastung mit sich. Das zeigen allein schon die vielen Berufsaussteiger*innen. Diese Belastungen jetzt in einer Lehre auch 15-jährigen im psychologischen sensiblen Entwicklungsstadium zuzumuten, ist eigentlich eines Gesundheitsministers unwürdig. Abgesehen davon, zeigt die Einführung der Pflegelehre wieder einmal den großen Kniefall vor den Landesfürst*innen. Kein einheitliches Konzept, kein einheitlicher Ausbildungsplan, sondern neun – zu befürchten nicht korrespondierende Landespilotprojekte – die erst nach sieben Jahren überprüft und evaluiert werden sollen.
Die Kompetenzausweitungen für diplomiertes Personal und die Pflegefachkräfte sind ein wunderbarer Schönsprech. Tatsächlich werden damit aber nur die illegalen Realsituationen vor Ort legalisiert und die Gefahren und Folgen dieser Pflegequalitätsverschlechterung nach unten geschoben. Ist das die neue Qualitätssicherung, die Minister Rauch jetzt herbeischwört?
In einem haben Rauch & Co. allerdings recht: Es handelt sich um die größte Pflegereform der letzten Jahrzehnte. Aber nicht, weil sie super und weitreichend ist, sondern weil es seit Ewigkeit keine gab!
Josef Stingl, stv. Bundesvorsitzender des GLB