Perverser Kapitalismus
Leo Furtlehner über die destruktive Wirkung von Bitcoin
Ein Kurs von 100.000 Dollar wurde es 2021 trotz eines Plus von 60 Prozent nicht. Im November lag ein Bitcoin bei 67.000 Dollar – um rasch wieder auf 40.000 zu fallen, 2022 werden 20.000 Dollar erwartet (Presse, 17.1.2022).
Die Erwartungen, Bitcoin nicht nur als Wertaufbewahrung, sondern auch als Zahlungsmittel einzusetzen sind vage. Auch wenn El Salvador 2021 die Kryptowährung neben den Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat. Dazu Goldman Sachs kryptisch: „Der Geist ist jedenfalls aus der Flasche“.
In den 13 Jahren seit Generierung des ersten Blocks wurden 18,9 Millionen Bitcoins geschürft, bis 2140 sollen es 21 Millionen in einem ständig verlangsamten Prozess werden, so der Plan. Doch immer deutlicher zeigen sich die Schattenseiten der Krypto-Manie.
Um solche fiktive Währungen – neben Bitcoin gibt es rund 2.000 andere – zu generieren, müssen riesige Netzwerke Tag und Nacht laufen, um nach dem Zufallsprinzip Zahlencodes zu erfassen, die als Bitcoin gespeichert werden. Und das geht an die Substanz. So hat China Mitte 2021 die Notbremse gezogen und die Bitcoin-Generierung abgestellt.
Als ein Paradies der digitalen Schürfer gilt der Iran. Freilich auf Kosten der Bevölkerung durch fast tägliche Stromausfälle. Schon seit 2010 betrieben wurde im Mullah-Staat das Mining 2019 legalisiert. Weil Kindergärten und Moscheen den Strom gratis beziehen zapfen die neuen Goldgräber diese Stromquellen an. Innerhalb weniger Monate forschte der Stromkonzern Tavanir 6.000 illegale Miner aus (Presse, 16.1.2022). Die Regierung will die reichlich vorhandenen Reserven von Öl und Gas für die Produktion von billigem Strom für Krypto-Plantagen nutzen, um Spielraum gegen die Sanktionen zu erlangen.
Bitcoin & Co. sind vor allem eine ökologische Katastrophe. So betrug 2021 der Stromverbrauch allein für Bitcoin über hundert Terrawattstunden. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch der Niederlande (PC Magazin 2/2022) oder so viel, wie Österreich und die Schweiz zusammen. Durch den laufenden Betrieb ist die Generierung auf klimaschädliches Öl oder Gas angewiesen, Photovoltaik oder Windstrom sind wegen Schwankungen kaum geeignet.
Ähnlich destruktiv ist diese Währung mit 30,7 Kilotonnen Elektroschrott pro Jahr in Form ausgelaugter Grafikkarten und teurer Spezialsysteme, 2022 befürchtet man sogar 64,4 Kilotonnen. Jede einzelne der 112,5 Millionen Transaktionen im Jahr 2021 erbrachte 272 Gramm Elektroschrott, was zwei Smartphones entspricht. Und die Lebensdauer von Mining-Systemen beträgt nur 1,29 Jahre, Tendenz sinkend.
Die Warnungen sind deutlich: „Der Bitcoin ist für zwei Dinge gut – zum Spekulieren und für Lösegeldzahlungen“ meint Agustin Carstens, Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (CHIP 9/2021). Und Oberbank-Chef Franz Gasselsberger meint: „Diese Bitcoin-Mentalität ist beunruhigend … Bitcoin hat weder mit Währung noch mit Aktien etwas zu tun. Man weiß nie, welchen Gesetzmäßigkeiten die Kursbewegung folgt.“ (Presse, 4.12.2021)
Auch steuerpolitisch zeigt sich die dubiose Seite von Kryptowährungen. Weil Gewinne aus Spekulationen mit Bitcoin & Co. nicht oder kaum besteuert werden entgingen Österreich 2020 laut dem Linzer Start-Up Blockbit satte 275 Mio. Euro Steuereinnahmen (OÖN, 17.3.2021).