Pandemie und Betten

Karin Reimelt über Einsparungen im Gesundheitswesen.

Seit dem Ausbruch des neuartigen SARS-Covid19-Virus in China sind mittlerweile Monate vergangen. Die Sorge bei Politiker*innen und Gesundheitsfachleuten ist gerade mit Beginn der zweiten Infektionswelle gestiegen, dass die Gesundheitsversorgung in Österreich der Krise nicht gewachsen sein könnte.

Dies, obwohl Österreich, wie auch Deutschland, über vergleichsweise hohe Bettenkapazitäten im Intensiv- und Akutbereich verfügt. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil in den vergangenen Jahrzehnten die Forderung nach Abbau von Krankenhausbetten immer stärker gefordert wurde.

Ob ÖVP, FPÖ, SPÖ, Grüne oder NEOS, Rechnungshof und IHS, sie alle kritisierten die medizinische „Überversorgung“ und forderten, die Zahl der Akutbetten auf das Niveau des europäischen Durchschnitts und damit um 40 Prozent zu senken. Dadurch könnten 4,75 Mrd. Euro jährlich gespart werden, tönte Norbert Hofer (FPÖ) noch im Jänner 2020.

Kürzung der Bettenzahl

Warum wird eigentlich so vehement auf die Kürzung der Bettenzahl gedrängt? Es geht um viele Milliarden. Da gibt es natürlich Begehrlichkeiten. Die EU hat die Losung ausgegeben: „Mehr Privat, weniger Staat“.

Daher werden in Europa Spitäler und Abteilungen geschlossen, Betten abgebaut. Das heißt aber nicht, dass sie nicht gebraucht werden. Die EU- Vorgaben sagen nur, dass sie nicht öffentlich finanziert werden sollen. Private können und sollen durchaus am Gesundheitsmarkt mitmischen.

In der Steiermark wurde in diesem Sinn die „Plattform Gesundheitswirtschaft Steiermark“ gegründet, um in der Gesundheitsbranche „Wachstumschancen besser nutzen zu können“. Träger sind unter anderem die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung. Ein Kernziel der Plattform ist die „aktive Gestaltung der Gesundheitspolitik“.

Was den Gesundheitssektor besonders interessant für private Investoren macht, ist das Fehlen eines zyklischen Charakters. Medizinische Versorgung und Pflege werden immer gebraucht. Der Kostenersatz ist gesetzlich geregelt und sicher. Das macht den Gesundheitssektor zu einem attraktiven und risikoarmen Terrain für Investitionen.

BIP-Anteil stabil

Die geplanten Einsparungen und Kürzungen werden begründet mit den angeblich „explodierenden Gesundheitsausgaben“. Tatsächlich fließen viele Milliarden in unser Gesundheitssystem.

Doch bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt sind die laufenden Gesundheitsausgaben (ohne Langzeitpflege) in Wahrheit ziemlich stabil: Sie machten im Jahr 2000 8,0 Prozent des BIP aus, 2010 waren es 8,6 Prozent des BIP und 2017 8,9 Prozent.

Überraschend ist, dass in Österreich nur 75 Prozent der Kosten von den Gebietskörperschaften (stationäre Versorgung) oder Sozialversicherungen (ambulante Versorgung) getragen werden. Rund ein Viertel aller Gesundheitsausgaben finanzieren die Menschen privat, sei es durch Selbstbehalte, Privat-Versicherungen oder Direktzahlungen.

Die Deckelung der Gesundheitsausgaben in den vergangenen Jahren hat auch in Österreich tiefe Spuren hinterlassen: Gab es 1990 noch 8,1 Akutbetten pro 1.000 Einwohner*innen, so waren es 2017 nur mehr 5,3. Wären die neoliberalen Forderungen nach einer weiteren Senkung um 40 Prozent umgesetzt worden, läge Österreich in etwa auf dem Niveau von Spanien oder Italien.

OECD-Studie bestätigt

Die Erfahrungen in China und Italien haben gezeigt, wie wichtig es ist, eine ausreichende Kapazität an Akut- und Intensivbetten sicherzustellen“, heißt es in der OECD-Studie.

In Österreich gibt es pro 100.000 Einwohner*innen 28,9 Intensivbetten. Österreich liegt damit im OECD-Vergleich nach Deutschland an der zweiten Stelle. In der Steiermark gibt es etwa 30 Intensiv-Betten pro 100.000 Menschen.

Klar ist, dass nicht nur bei den Betten, sondern damit einhergehend auch beim Personal eine gewisse Kapazität vorgehalten werden muss. Diese Infrastruktur kann nicht einfach bei Bedarf plötzlich hochgefahren werden! Das Bett, das Beatmungsgerät allein nützt gar nichts, es muss auch ausreichend Menschen geben, die damit umgehen können.

Geringer Personalstand

im internationalen Vergleich ist der Personalstand in den Spitälern in Österreich mit 7,7 pro 1000 EW sehr gering. Obwohl wir bei den Betten im oberen Bereich sind, liegen wir beim Personal im untersten Drittel, knapp vor Italien – und zwar nicht pro Bett, sondern pro 1000 Einwohner*innen.

Gerade im Pflegebereich fehlt Personal. Daher verwundert es nicht, dass in Österreich die Pflegekräfte chronisch überlastet und Burnout-gefährdet sind.

In der Steiermark plant die Landesregierung bis 2025 die Spitalsbetten im Vergleich zu 2014 um 950 zu reduzieren. Bis 2035 sind weitere massive Einschnitte geplant: 10 bis 13 Spitäler sollen geschlossen werden, sodass in jeder der sieben steirischen Regionen nur mehr ein Leitspital übrigbleibt.

Neue Wertschätzung

In der Corona-Krise gab die immer noch relativ gute Bettenkapazität der Spitäler in Österreich den Menschen Sicherheit. Bei vielen hat dies zu einem Umdenken und einer neuen Wertschätzung für unser öffentlich finanziertes Gesundheitssystem geführt.

Es bleibt zu hoffen, dass dem neoliberalen Feldzug gegen die öffentliche Gesundheitsversorgung nach Corona ein Riegel vorgeschoben wird.

Karin Reimelt ist Juristin im KPÖ-Landtagsklub Steiermark

Dazu passend ein Video aus der Reihe „Auf Augenhöhe“: https://www.facebook.com/watch/?ref=search&v=2793485290906703&external_log_id=3486c3e0-bdb5-4379-801f-74c2b48280cd&q=auf%20augenhöhe

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