Österreich hält an Neutralität fest
Anne Rieger über Neutralität, Pflege, Airpower
Wir sind einer nervenden medial und politisch angeheizten Debatte über die sogenannte Zeitenwende in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ausgesetzt. Verbunden damit wird die österreichische Neutralität medial permanent in Frage gestellt.
Trotzdem: Laut der jüngsten Umfrage des Gallup-Instituts stehen 71 Prozent der Österreicher*innen zur Neutralität. Sie zu bewahren sei für die Sicherheit des Landes besser. 58 Prozent sehen in der Neutralität eine positive Rolle für den Erhalt des Weltfriedens. Für einen NATO-Beitritt spricht sich nur eine kleine Minderheit von 16 Prozent aus. Waffenlieferung in Kriegsgebiete gilt für 78 Prozent als nicht mit der Neutralität vereinbar.
Slowenischer Panzer-Ausflug
Da ist es schon erstaunlich, dass slowenische Panzer sich auf „Ausflugsfahrt“ nach Österreich begeben. „Eine riesige Heeres-Kolonne bestehend aus 35 Panzern rollte am 21.6. über die Gleise Österreichs“, berichtete „heute“. Eine Leserin hatte sie an einer Bahnschranke bei Wildon gefilmt. Oberst Michael Bauer, Ministeriumssprecher, bestätigte den Transport. Sie seien auf dem Weg nach Spielberg gewesen. Von dort wurden die Slowenen-Panzer gegen 19.00 Uhr wieder außer Landes gebracht.
Ebenso wurde eine slowenische Militär-Kolonne auf der Südautobahn gesichtet. Bauer auf Nachfrage von „heute“: „Der Transit umfasste 12 Soldaten und zwei Zivilisten. Teil der Kolonne waren zwei Autos, sechs Lkw und zwei Hummer mit vier Anhängern. Es wurden unter anderem vier Haubitzen aus dem niederösterreichischen Drasenhofen nach Spielfeld transportiert“. Die Reise der Slowenen endete am selben Tag – der Transport verließ kurz vor 18:00 Uhr österreichisches Staatsgebiet. Dass die Panzer demnächst in der Ukraine zum Einsatz kommen, verneinte der Ministeriumssprecher im „heute“- Talk.
Offenbar ist das die aktive Neutralität, wie die österreichische Regierung sie versteht. Slowenien schickt 35 Schützenpanzer in die Ukraine und zufällig rollen zur gleichen Zeit 35 slowenische Schützenpanzer durch Österreich!!
Erhöhung per Verfassungsgesetz
Aber dass Ministerin Tanner eine dreimalige Budgeterhöhung über die nächste Legislaturperiode hinaus verfassungsgesetzlich absichern will, wurde mit „Bedrohung durch den Krieg in der Ukraine“ begründet. Im Finanzrahmengesetz von 2023-2026 will sie ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Heer erreichen, dann ansteigend schrittweise auf 1,5 Prozent erhöhen. Zur Erinnerung: Das bedeutet eine Verdoppelung von heute 2,7 Mrd. Euro auf sechs Mrd. Euro jährlich.
Pflege- und Kindergarten-Milliarde
Was für eine perverse, menschenverachtende Prioritätensetzung: sechs Milliarden Euro jährlich, großteils für Zerstörung, aber nur eine Milliarde für eine Verbesserung der Pflege – die sogenannte Pflegemilliarde. Sie ist nur einmalig geplant, über zwei Jahre verteilt, nicht nachhaltig und finanziell völlig ungenügend ausgestattet.
Ein vergleichbar skandalöses Verhältnis gibt es bei der „Kindergartenmilliarde“ in der Elementarpädagogik. Der Bund will in fünf Jahren 200 Millionen Euro pro Jahr dafür zur Verfügung stellen – zuletzt waren es 142,5 Millionen pro Jahr. Die Aufstockung von insgesamt 287,5 Millionen Euro über fünf Jahre verteilt, sind viel zu wenig kritisieren Familien- und Kinderorganisationen.
Airpower absagen
Gleichzeitig wird fürs Militär geworben mit der militärische Leistungsschau von Kriegsgerät. Für den Großevent Airpower, begleitet von massiven Lärm- und Umweltbelastungen, werden Steuergeld-Millionen verschwendet.
„Auch in Friedenszeiten halten wir es für ein fatales Signal, Kriegsgerät zur Belustigung vorzuführen. Die Airpower gehört nicht nur heuer abgesagt, sondern generell“, so der Spiel- berger KPÖ-Gemeinderat Erich Wilding.
Ihre Kriege sind nicht unsere
Derweil tagen die Mächtigen der Welt beinahe in Permanenz, planen und organisieren ihre Militär- und Wirtschaftskriege um Machtverteilung, Profite und die geostrategische Aufteilung der Welt. Das taten sie schon immer, aber befeuert durch den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine, hat diese Auseinandersetzung tödliche Schärfe erreicht, die auch in Europa wahrgenommen wird. Auf dem Rücken junger Männer und Frauen werden Kriege geführt, Menschen umgebracht, Wohnungen, Fabriken, Infrastruktur, Umwelt zerstört und uns die Preise für die lebensnotwendigen Güter drastisch erhöht.
Es ist nicht unser Krieg, wir wollen nicht, dass unsere Kollegen in andern Ländern sterben. Wir müssen den Herrschenden in den Arm fallen. Und der erste Schritt dazu ist es hier im eigenen Land zu tun. Wir brauchen keinen Millimeter Aufrüstung, keine einzige Waffe. Wir brauchen Friedensinitiativen unserer Regierung.
Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB