ÖBB im Problem-Stau
Die ÖBB gelten – etwa im Vergleich mit der Deutschen Bahn – als Vorzeigeunternehmen. Zwar nicht ganz so zuverlässig und mustergültig wie das Schweizer Pendant, aber so wie auch bei den Fahrgastzahlen auf einem gutem zweiten Platz in Europa.
Dieser Ruf gerät aber immer mehr ins Wanken. Zugverspätungen, geringere Angebote bei Zügen, sogar komplette Zugausfälle – sehr zum Ärger der Fahrgäste – stehen im Nah- wie auch im Fernverkehr immer öfter auf der Tagesordnung. Vor allem im fahrgastintensiven Ferienmonat Dezember und in der Ostregion kämpf(t)en die ÖBB mit Herausforderungen, welche auch zu einer veritablen Aufregung in den Medien führte.
Nightjets mit Kinderkrankheiten
Auch bei den Nachtzügen, mit denen die ÖBB Weitblick bewies und ein positives Image aufbauen konnte, spießt es sich. Die neuen „Nightjets“ haben noch viele technische Kinderkrankheiten, alte Wagen wurden aber sofort für neue Nachtdestinationen eingesetzt und so kommt es zu Ausfällen und Verspätungen. Zudem sorgt die Preisgestaltung mit oftmals weit höheren Ticketpreisen für Verstimmung bei den Fahrgästen.
Das ÖBB-Management musste zur Schadensbekämpfung ausrücken und gelobt Verbesserung. Aber so schnell geht das nicht. So gibt es gravierende Probleme beim eingesetzten Rollmaterial. Bestellungen für Neuankäufe wurden zu spät oder gar nicht getätigt und zu viele Züge befinden sich in den Werkstätten. Dort hat man wieder mit Personalproblemen zu kämpfen, wodurch sogar externe Firmen mit der Reparatur beauftragt werden.
Vom Mangel sind Fern- wie auch Nahverkehrszüge betroffen. Im Februar kündigte die ÖBB nun überhaupt an, in der Ostregion deshalb das Angebot im Nahverkehr auszudünnen. Nach dem Motto: „Besser der Zug steht gleich gar nicht am Fahrplan, als er fällt aus“. Auch bei der Qualität hapert es: Die Waggons der EuroCity (EC)- und InterCity (IC)-Züge sind in die Jahre gekommen. Oft sind diese Züge nicht barrierefrei und es kommt zu Ausfällen bei Klima- oder Heizungsanlagen. Oder die Züge werden mit weniger Wagen und Sitzplätzen geführt bzw. haben Wagen anderer Zuggattungen bespannt.
Nun rächt sich, dass die ÖBB viele Waggons an andere Bahngesellschaften abgestoßen haben. Auch der „Railjet“ als Top-Produkt der ÖBB im Fernreiseverkehr zeigt Abnutzungserscheinungen. Defekte WC-Anlagen, Ausfall bei den Zuganzeigen, starke Vibrationen bei höheren Geschwindigkeiten und ganze Zugausfälle sind keine Seltenheit.
Bahn-Boom verschlafen
Mehr oder weniger haben die ÖBB den Bahn-Boom verschlafen. Auf die verstärkte Nachfrage wird zwar reagiert und das Angebot erhöht (auch weil die öffentliche Hand im Nahverkehr mehr bestellt), aber die Züge dafür fehlen. Erst spät wurde neues Rollmaterial für die Erweiterung bestellt. Bis dieses ausgeliefert, zugelassen und zum Einsatz kommt, dauert es noch einige Jahre.
Ein Grund, warum die ÖBB mehr Zugverbindungen anbieten, aber nicht oder nur eingeschränkt über die erforderlichen Ressourcen verfügen, liegt wohl auch daran, wie im Personenverkehr Eisenbahnleistungen vergeben werden. Die EU will zwar weitere „Liberalisierungen“ im Bahnverkehr und damit die Direktvergabe von Zugverbindungen an Eisenbahnunternehmen einschränken, noch erhält aber allen voran die ÖBB die Zuschläge für neue Angebote.
Würden die ÖBB dem nicht nachkommen, könnte dies Ausschreibungen nach sich ziehen, an denen sich dann auch andere Unternehmen beteiligen können. Die Auswirkungen des liberalisierten Bahnverkehrs auf Arbeitsplätze, Sicherheit, leistbare Tickets und Qualität für die Fahrgäste sind bekannt, halten aber die EU nicht davon ab weiter darauf zu drängen.
Es gibt aber noch weitere Probleme beim Bahnverkehr in Österreich. So ist die ausgebaute Westbahnachse – zum Teil sind Streckenabschnitte erst im Ausbau – schon wieder sanierungsbedürftig. Das hängt mit gefahrenen Höchstgeschwindigkeiten, schweren Güterzügen und lokbespannten Personenzügen mit hoher Radachslast zusammen.
Ein politisches Problem
Statt wie in der Schweiz auf ein dichtes Bahnnetz mit einheitlichem, gut ausgebautem Taktfahrplan für Bahnen und Busse im ganzen Land zu setzen, wird hauptsächlich in ressourcenintensive Hochleistungsstrecken, im TEN-Netz investiert. Das freut zwar die Bauindustrie und ist gut für den europaweiten Transitverkehr, der Nutzen für die Allgemeinheit bzw. Fahrgäste ist aber nur suboptimal. Jüngstes Beispiel: Die von „Klima“-Ministerin Gewessler vorgestellte Strategie „Zielnetz 2040“ zum Bahnnetzausbau, sieht eine milliardenteure „Neue Innkreisbahn“, eine Neubaustrecke zwischen Wels und München, vor.
Michael Roth-Schmida ist HTL-Lehrer in Traun und KPÖ- Gemeinderat in Linz