Modell für andere Branchen

Robert Walasinski über das RidersCollective 

Digitale Plattformen als Möglichkeit des leichten Zugangs zum Arbeitsmarkt haben in den letzten Jahren an Fahrt gewonnen. International betrachtet dominieren einige wenige Big Player den Markt und versuchen die Regeln vorzugeben, insbesondere bei der Essenszustellung.

Niederschwelliger Zugang und versprochene Flexibilität machen diese Jobs für viele attraktiv, oft ist es die einzige Möglichkeit am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Aus kurzfristigen Zuverdiensten werden so oftmals längerfristige Abhängigkeitsverhältnisse. Die Arbeitnehmer:innen werden aber größtenteils als freie Dienstnehmer:innen oder gar Scheinselbstständige unter Vertrag genommen.

Damit sind sie von der institutionellen Arbeitnehmer:innenvertretung und arbeitsrechtlichen Bestimmungen exkludiert. Durch die Bezahlung nach Leistung (Bestellung) wird interner Konkurrenzkampf bewusst gefördert – Absicherung wie geregeltes Einkommen, bezahlter Krankenstand oder Urlaub fehlen. Vereinbarungen wie Kollektivverträge, aber auch Interessensvertretungen wie Gewerkschaft oder Betriebsräte werden für eine immer größer werdende Gruppe von Beschäftigten ausgehebelt.

Das RidersCollective will Aufklärung und Unterstützung in diesem von Prekariat geprägtem Feld leisten. Obwohl es bei den beiden großen Anbietern mittlerweile österreichweit Betriebsräte gibt und seit 2020 ein Kollektivvertrag für Fahrradbot:innen, der die Branche (weltweit einzigartig) umfasst, bleiben die genannten Herausforderungen bestehen.

Das RidersCollective verbindet die digitale Ebene – Kommunikation über Chatgruppen, Aufgabenzuteilung via App und Algorithmus, automatisierte Entscheidungsfindungen – mit einer physischen Komponente. Neben einem Online Auftritt mit viel Basisinformation (www.riderscollective.at), Social Media Kanälen, und diversen Chatgruppen, gibt es seit Anfang 2022 eine Anlaufstelle an einem verkehrstechnisch gut gelegenen Ort in Wien mit Angeboten für Bot:innen zum Austausch, Organisation, Weiterbildung und als konsumfreien Ort zum Verweilen oder für Reparaturen.

Ein Stammtisch (Spill it!) bietet Vernetzung im lockeren Rahmen. Dadurch wird gewerkschaftliche Arbeit auf niederschwelliger Ebene ermöglicht, da es für die oft jungen, öfter migrantischen Arbeitnehmer:innen manchmal an grundlegender Information über Verträge, Interessensvertretungen und Funktionen von Gewerkschaften fehlt. Diese Lücke zu füllen ist neben dem öffentlichen Auftritt des RidersCollective ein Schlüsselelement, um der Belegschaft der Plattformunternehmen eine Stimme zu geben. 

Auf europäischer Ebene wird an einer Regulierung der Plattformarbeit gearbeitet, dank internationaler Vernetzung sind wir in den laufenden Prozess eingebunden. Es geht bei der geplanten Direktive darum, welche Anstellungsverhältnisse bei Plattformen anzuwenden sind. Der Kampf um Rechte und Mitsprache ist in der Plattformökonomie ein internationaler, auch um fehlendes Problembewusstsein zu schaffen.

Wenn sich das Arbeitsorganisationsmodell von Plattformen ohne ein Regulativ von politischer und gewerkschaftlicher Seite durchsetzt, werden hart erkämpfte Rechte zusehend abgebaut. Die Definitionsmacht darf nicht in der Hand einiger Konzerne liegen, die ihre Sicht der Dinge als einzig mögliche Wahrheit verkaufen wollen. Es handelt sich dabei um ein Modell, dass auf viele andere Branchen umsetzbar ist – und das gilt es zu verhindern.

Robert Walasinski ist im internationalen Referat des ÖGB tätig

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