Mit „Betongold“ in die Sackgasse?
Leo Furtlehner über Fehlentwicklungen am Wohnungssektor
Vorarlberg ist einsame Spitze – zumindest bei den Wohnkosten. Davon zeugt der im „Ländle“ ab 1. April 2022 geltende Richtwert von 9,44 Euro pro Quadratmeter für vor 1945 errichtete und ab 1994 vermietete Wohnungen. Aber auch bei der durchschnittliche Nettomiete von 7,72 pro Quadratmeter (Bundesdurchschnitt 6,20) ist Vorarlberg Spitzenreiter.
Gleichzeitig erreichte 2021 der Immobilienboom mit bundesweit 163.000 Verbücherungen und einem Verkaufswert von 43,2 Mrd. Euro eine neue Rekordhöhe (RE/MAX-ImmoSpiegel 2021). Der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung verteuerte sich 2021 um 12,3 Prozent – der höchste jährliche Anstieg seit 2010 (Standard, 24.3.2022). Und dass die Investition überschüssiger Gelder in „Betongold“ die Wohnkosten rasant in die Höhe treibt, verstehen auch ökonomische Laien. Die Anleger wollen Rendite sehen.
Für die Immobilienhaie
Vor diesem Hintergrund kritisiert die ÖVP-dominierte Vorarlberger Arbeiterkammer, dass die zulässigen Baukostenhöchstgrenzen der Wohnbauförderung um 14,9 Prozent erhöht wurden (AK-Vorarlberg, 15.12.2021). Die Arbeiterkammer folgert daraus, dass die schwarz-grüne Landesregierung eine „Wohnbaupolitik im Auftrag der Immobilienwirtschaft“ betreibt, während die Wohnbauförderung „in ihrer derzeitigen, völlig unzureichenden Form weiterhin unangetastet“ bleibt.
Für die AK ist eine „Neugestaltung der Wohnbauförderung längst überfällig“ wobei es gelte „Wohnungseigentum für Arbeitnehmer günstiger zu machen“. Bemängelt wird, dass heute „nur noch jedes vierte Eigenheim mit einer Wohnbauförderung errichtet“ wird. Beim dabei erfolgten Verweis auf den als „Lohnnebenkosten“ geleisteten Wohnbauförderungsbeitrag ist allerdings klarzustellen, dass die Wohnbauförderung eigentlich für die Errichtung von leistbaren Mietwohnungen und nicht zur Förderung von Eigentum gedacht ist, zumal die „Häuslbauerei“ mit einer massiven Zersiedelung der Landschaft und Vernichtung von Grünflächen verbunden ist.
Gemeinnützige aufwerten
Die Forderung der AK für eine „massive Aufwertung des gemeinnützigen Wohnbaus sowie die Bindung von Baugenehmigungen bei Wohnanlagen an die Auflage, einen Teil der Wohnungen zu den Konditionen des gemeinnützigen Wohnbaus zur Verfügung stellen zu müssen“ entspricht der gängigen, auf Eigentum fixierten Politik. Auch wenn Keckeis meint, dass „auch die Möglichkeiten der Raumplanung stärker in die Bemühungen eingebunden werden“ müssen um „Wohnraum zu leistbaren Preisen für die arbeitenden Menschen zu schaffen“.
Dazu bedürfe es der „Vorgabe höherer Baunutzungsziffern, die ein wesentlicher Kostendämpfungsfaktor sein können“. Mit der Forderung Wohnbau und Raumplanung „aus dem Wirtschaftsressort zu lösen“ wird jedenfalls ein heißes Eisen angeschnitten, geht es doch um eine zumindest relative Loslösung des Wohnbaus aus den Klauen der Immobilienwirtschaft im „Ländle“.
Der seit Jahren weit über dem VPI liegende Anstieg der Wohnkosten und die Debatte um die Anhebung der Richtwerte zeigen die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform sowohl der Mietrechtsgesetzgebung als auch der Wohnbauförderung. Kernpunkte müssten dabei eine Gültigkeit für alle Wohnungen, klare Deckelung der Mieten und Ausrichtung der Wohnbauförderung auf leistbare Mietwohnungen sein.