Mehr Mut zum Arbeitskampf
Die österreichischen Beschäftigten haben im Herbst um höhere Löhne gekämpft, jedoch in verschiedenen Gewerkschaften und zu verschiedenen Zeiten. Alle aber im Nachgang zu den bereits vorangegangenen Preiserhöhungen.
Rammbock ihrer Klasse
Mit einem Paukenschlag wollten die Metall-Unternehmer als Rammbock ihrer Klasse den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften gleich zu Beginn der Verhandlungen den Schneid abkaufen. Nur erbärmliche 2,5 Prozent mehr Lohn (plus 130 Euro Fixbetrag) wollten sie zahlen. Bei einer rollierenden Inflation von 9,6 Prozent und der gemäßigten Forderung der Metaller:innen von 11,2 Prozent war das eine klare Kampfansage. Es ging also nicht um die sogenannte Partnerschaft, „sozial“ genannt. Es ging darum, auf wieviel Reallohnabbau die österreichische Arbeiterklasse sich in dieser Herbstlohnrunde einlassen würde.
Gemeinsam kämpfen
Denn traditionell fällt den Metallbeschäftigten die Aufgabe beim Herbst-Lohnkampf zu, eine Bresche in die Profitfront des Kapitals zu schlagen. Sie kämpfen allein, so wie die Beschäftigten im Handel, in der Sozialwirtschaft, bei der Caritas, in der Diakonie, im Handwerk, die LKW-Lenker:innen, und viele mehr. Fast alle erstrittenen Löhne lagen unterhalb der offiziellen Inflationsrate.
Der reale Kaufkraftverlust bei den wichtigsten Lebensbedürfnissen ist weit höher. Vom Anteil am Produktivitätsfortschritt – wie nach der Benya-Formel gefordert – wird nicht mehr gesprochen. Bei gemeinsamen Kämpfen wäre mehr drin gewesen. Es gab eine hohe Streikwilligkeit in den Betrieben, die öffentliche Meinung war auf Seiten der Gewerkschaften.
Dennoch, die Metaller:innen antworteten der Kapitalseite mit Betriebsräte-Konferenzen, Betriebsversammlungen, Warnstreiks. Eine Woche lang gab es täglich befristete Arbeitsniederlegungen, von achtstündigen Schichtausfällen bis zu 24-stündigen Streiks. Gleichwohl stieg der Mindestlohn in der Metalltechnischen Industrie, der sogenannte Kollektivvertragslohn, im Schnitt um nur 8,5 Prozent, also unterhalb der rollierende Inflationsrate. Das gab den Ton an.
Lohnkürzungsklausel muss weg!
Zusätzlich pressten die Unternehmer:innen den Gewerkschafter:innnen die sogenannte „Wettbewerbs- und Beschäftigungssicherungsklausel“ ab. Damit sollen Kürzungen bei Löhnen und eine Spaltung zwischen den Betrieben ermöglicht werden. Die Lohnverhandlungen werden auf die Betriebsebene verlagert. Das ist voll gegen den Sinn des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses. Nur gemeinsam können wir stark gegen die Kapitalmacht gewinnen.
Und natürlich, kaum ist ein Großteil der Proteste und Kämpfe vorbei, stehlen Unternehmer Beschäftigten einen Teil der durchgesetzten Lohnerhöhung. 120 Unternehmen mit ca. 32.000 Mitarbeitern aus den Metallbranchen wollen niedrigere Löhne zahlen, als im Abschluss vereinbart. So fordert z.B. AVL, ein Unternehmen mit 11.000 Beschäftigten, und vom Industriemagazin als drittbester Zulieferer Österreichs gekürt, die Anwendung dieser Kürzungsklausel. AVL hätte einen Personalaufwand von 90 Prozent im Verhältnis zur Wertschöpfung. Sie haben aber auch einen riesigen Umsatzwachstum, Würden Betriebsrat und Gewerkschaften sich zur Kürzung durch den Weltkonzern erpressen lassen, würden die Beschäftigten Lohnteile selber zahlen. Ersatzleistungen wie etwa zusätzliche Urlaubstage oder steuerfreie Einmalzahlungen gehen nicht in die Lohntabellen ein und fehlen dauerhaft.
Wem nutzt ein Zwei-Jahre-Abschluss?
Auch ein Zwei-Jahres-Abschluss wurde von den Unternehmern erzwungen. Er stiehlt im kommenden Jahr die Möglichkeit des Arbeitskampfes. Ein Novum bei den Metaller:innen. Statt einer Auseinandersetzung im Herbst 2024 wurde nun festgelegt, dass der nächste Abschluss ein Prozent über der dann rollierenden Inflation liegen soll.
Bedenkt man, dass die Unternehmer die rollierenden Inflation im vergangenen und diesem Jahr trickreich nutzen, um jeweils die Lohnerhöhung zu drücken, lässt sich schwer begreifen, warum sich die Verhandlungskommission darauf eingelassen hat. Welchen Argumentationstrick werden die Unternehmer im kommenden Jahr nutzen, um die Löhne unter der Inflationsrate zu halten?
Urabstimmung von allen
Die beiden Vertreter:innen des GLB haben in der Fahrzeugindustrie gegen den Abschluss gestimmt. In der Sozialwirtschaft gab es in der großen Verhandlungskommission 16 Gegenstimmen gegen den dortigen Abschluss und nur 27 Pro Stimmen. Er lag mit 9,2 Prozent weit unter den geforderten 15 Prozent.
Damit die Gegenstimmen nicht allein bleiben, müssen die Vielen abstimmen, denen die Unternehmer mit den Reallohnkürzung ihren Lebensstandard verschlechtern. Eine Urabstimmung und gemeinsame koordinierte Kämpfe brauchen wir. Wie nötig sie sind, zeigen die „Teuerungshilfen“, die die österreichische Regierung aus unseren Steuergeldern gezahlt hat, damit die Kaufkraft erhalten bleibt.
Anne Rieger ist Mitglied im erweiterten Bundesvorstand des GLB