Linke Alternative notwendig
Interview mit Spitzenkandidat:innen in Salzburg, in Vorarlberg und in Tirol
In Salzburg und Vorarlberg findet vom 26. Jänner bis 8. Februar 2024 und in Tirol vom 29. Jänner bis 8. Februar 2024 die AK-Wahl statt.
Mit den drei Spitzenkandidat:innen, der Sozialpädagogin und Betriebsrätin Edith Hanel (S), dem Metallarbeiter und Betriebsrat Andreas Spechtenhauser (V) und der Ergotherapeutin Evi Kofler (T), hat sich Josef Stingl für „Die Arbeit” über Motivation, Programm und Ziele unterhalten.
Warum kandidiert ihr an der Spitze des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB), bzw. der Gewerkschaftlichen Linken (GL)?
Edith: In meiner Arbeit als Betriebsrätin ist eine enge Verbindung zur Gewerkschaft wesentlich. Die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu vertreten, ist für mich unmittelbar mit linken politischen Positionen verknüpft. In Salzburg sind wir die einzige wahlwerbende Gruppe mit zwei Frauen an den ersten beiden Plätzen. Das ist für mich eine große Motivation und wird sich in unseren Themen widerspiegeln.
Evi: Auch bei uns kandidieren zwei Frauen an der Spitze. Insgesamt haben wir die letzten fünf Jahre unsere Zeit und Energie zur Vernetzung genutzt und viele aktive Menschen gewonnen, die sich in ihren/seinen Betrieben einsetzen. Ich bin deshalb stolz, dass sie mir die Verantwortung für den ersten Listenplatz übertragen haben.
Andreas: Mit meinen gut zehn Jahren politischen und gewerkschaftlichen Engagement bin ich der Erfahrenste in unserem stark gewachsenen Team. 2017 gelang es, mit nur einer handvoll Kolleg:innen auf einer GLB-Liste bei der BR-Wahl in der Firma Julius Blum GmbH ein Arbeiter- Betriebsratsmandat zu erkämpfen. 2022 erreichten wir mit 14 Kandidat:innen über 17 Prozent der Stimmen und drei Betriebsratsmandate.
Neben dem Engagement im Betrieb bedarf es auch in der Arbeiterkammer einer linken Stimme. Wir haben daher einen Wahlvorschlag mit 15 Kandidat:innen aus verschiedenen Betrieben und Sparten eingebracht.
Was läuft eurer nach Meinung verkehrt?
Evi: Seit der letzten Wahl rutschen die Beschäftigten von einer Krise in die nächste – jede birgt für sich verschiedene Herausforderungen und sie summieren sich auf. Zu wenig Mitarbeiter:innen, zu viele Überstunden, zu wenig Pausen, zu geringe Entlohnung, zu wenig Möglichkeit der Mitbestimmung.
Im letzten Jahr hat sich die Situation noch verschärft. Während die Preise weiter steigen, fahren Konzerne Millionengewinne ein. Für viele Menschen ist das Leben zu einer täglichen Rechenaufgabe geworden – nämlich was noch leistbar ist und was nicht. Die Bundesregierung bleibt hier Lösungen schuldig, denn weder Einmalzahlungen, Gutscheine noch der halbherzige Mietendeckel können die Situation nachhaltig verbessern.
Andreas: Auf allen Ebenen ist ein enormer Anstieg des Leistungsdrucks zu spüren. Arbeit macht krank, das ständig zu ignorieren halte ich für höchst fahrlässig. Gleichzeitig steigen die Mieten, die Energiekosten, die Lebensmittelpreise und die Kreditkosten und unsere Kaufkraft schwindet. Diese enorm steigenden Preise bescheren uns seit den letzten KV-Abschlüssen einen empfindlichen Reallohnverlust.
Weiters war es noch nie so schwer einen Arzttermin zu bekommen oder gar einen Pflegeplatz. Und dann ist Vorarlberg auch noch Schlusslicht bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, was vor allem Frauen in die Teilzeit zwingt.
Edith: In erster Linie eine immer stärker auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich. Selbst bei Vollzeit-Arbeit haben viele nach Bezahlung der Miete nicht genügend Geld um „über´s Monat zu kommen“. Kollektivvertragslöhne, bei denen man/frau nicht mehr als 1.838 Euro brutto für 40 Stunden Arbeit bekommt, sind etwa für gelernte Florist:innen Realität. Noch katastrophaler ist die Situation bei Alleinerziehenden, Arbeitssuchenden, Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen.
Gleichzeitig, oder gerade deswegen, gibt es einen unglaublich steigenden Reichtum bei Wenigen. Sie besitzen den Großteil des Vermögens in Österreich und die fehlende Erbschafts- und Vermögenssteuer sowie von unten nach oben umverteilende Gesetze verfestigen dieses System noch.
Erschreckend in diesem Zusammenhang ist die unglaubliche Überheblichkeit der Vertreter:innen der Reichen. Die Aussage Nehammers, in der er zu verstehen gibt, dass für Kinder, die in Familien mit geringem Einkommen aufwachsen, ungesunde Ernährung das passende sei, ist ein Symbol der Verdorbenheit derer, die für bessere Chancengleichheit verant- wortlich wären.
Welche Herausforderungen seht ihr dabei?
Edith: Schwarz-Blau ist in Salzburg traurige Realität. Aber auch davor hat sich Salzburg nicht mit solidarischer Gesellschaftspolitik gezeigt. So ist es eines der wenigen Bundesländer, in dem asylsuchende Menschen nicht den vollen Betrag der Geringfügigkeit dazuverdienen dürfen. Für elitäre Großprojekte, wie den Ausbau der Mönchsberggarage, der von der Bevölkerung zum Glück verhindert wurde, scheinen stets finanzielle Mittel vorhanden zu sein.
Hunderte Millionen sind nun für eine Neugestaltung des Festspielhauses eingeplant. Demgegenüber steht eine Knausrigkeit bei Geld für adäquate Kinderbetreuung oder Pflege und Betreuung. Für Menschen, die auf solidarische Leistungen angewiesen sind, ist Salzburg nicht der beste Ort.
Evi: Herausforderungen gibt es viele, eines der brennendsten Themen ist aber sicher Wohnen bzw. die Mieten. Über Jahre wurde Immobilienspekulation uneingeschränkt hingenommen. Das trieb die Preise massiv nach oben. Dabei haben wir in Tirol die höchsten Lebenshaltungskosten, aber niedrige Einkommen.
Ein anderer, für mich sehr wichtiger Punkt, ist die Gleichstellung bzw. Gleichberechtigung. Wir sind in Tirol damit konfrontiert, dass Kinderbetreuung nicht flächendeckend angeboten wird. Die derzeitige Landesregierung hat nun zwar ein Recht auf Kinderbetreuung beschlossen, aber um dies umsetzen zu können, müsste es aber auch genügend Personal geben. Das fehlt jedoch an allen Ecken und Enden. Wenig verwunderlich, verdienen Kindergarten- und Freizeitpädagog:innen in Tirol im Durchschnitt sogar unter der Armutsschwelle.
Andreas: Ja, auch wir in Vorarlberg brauchen mehr als nur billige Nehammer-Burger! Auch bei uns braucht es mehr Kinderbetreuung, leistbares Wohnen und Umverteilung von oben nach unten. Vermögens- und Erbschaftssteuer sind dringendst angebracht.
Wobei wir schon beim Inhalt sind, was sind eure wichtigsten Themen?
Edith: In allen Bereichen die gesellschaftliche Ungleichheit anzusprechen und Alternativen aufzuzeigen, ist für mich wichtig. Insbesondere frauenpolitische Themen sind mir persönlich ein besonderes Anliegen. Unbezahlte Arbeit ist immer noch ein „Frauenthema“ und führt zu Altersarmut. Beispielsweise gibt es nicht das Recht, den Ort der Kinderbetreuung frei wählen zu dürfen. Dies erschwert eine volle Erwerbstätigkeit bei Betreuungspflichten.
Evi: Weil uns immer weniger bleibt, haben wir uns auf „MEHR FÜR UNS” geeinigt. Wir brauchen MEHR Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich, MEHR an Löhnen und Gehälter, mit einem wertgesicherten lohnsteuerfreien Mindestlohn von 2400 Euro die insgesamt die Teuerung abfedern. Wenn die Frage kommt, wer das bezahlen soll, dann landen wir schon beim Thema MEHR Umverteilung mit längst überfälligen Vermögens- und Erbschaftssteuern.
Und Eure Visionen für Land, Bund und global?
Evi: Wir wollen unseren Sozialstaat nicht nur erhalten und verteidigen, sondern ihn noch ausbauen. Grundlage dafür ist für mich, dass es in den verschiedenen Gremien von der AK, über Landes- und Gemeindeebene Menschen gibt, die sich aktiv für eine positive Veränderung einsetzen und progressive und klassenkämpferische Ziele verfolgen.
Für viele der notwendigen Veränderungen in Tirol benötigen wir ein klares Umdenken auf Bundesebene. Dabei braucht es auf allen Ebenen eine stärkere Vertretung der Beschäftigten. Von einem klaren Stopp der Immobilienspekulation, über eine gerechte Verteilung der Mittel usw.
Andreas: Die jüngsten Entwicklungen – Supergewinne großer Konzerne und Abrutschen von einkommensschwachen Familien in die Armut – lehren uns, wie wichtig eine starke Interessensvertretung der Arbeitenden ist. Ganz nach dem Motto: „Was alle brauchen, muss allen gehören“, fordern wir eine Rückführung privatisierter Bereiche der Infrastruktur und Daseinsvorsorge ins öffentliche Eigentum und eine staatlich garantierte Existenzsicherung!
Edith: Um Anliegen gut in die Arbeiterkammer tragen zu können, ist eine bundesweite Vernetzung unbedingt erforderlich. Bedeutsam ist jedoch für mich auch der Blick über Österreich hinaus. Für mich ist Solidarität nur grenzüberschreitend denkbar.
Die europäische Wirtschaft beutet weiterhin die sogenannten „Länder des Südens“ aus und gleichzeitig werden die Mauern um Europa höher und höher. Unsere Mitverantwortung für außereuropäische, inakzeptable Arbeitsbedingungen, Diebstahl von Rohstoffen, damit verbundene Menschenrechtsverletzungen und ökologische Katastrophen müssen in unser Blickfeld.
So partizipiert beispielsweise die voestalpine an einem mexikanischen Militärprojekt, bei dem ein Zug durch den Regenwald gebaut wird, die indigene Bevölkerung vertrieben wird und Menschen, die dagegen protestieren, umgebracht oder kriminalisiert werden. Und die Gewerkschaft schweigt leider, wenn österreichische Firmen an solchen Projekten beteiligt sind.
Was erwartet ihr euch von der Wahl bzw. was ist euer Wahlziel?
Evi: Wir gehen sehr selbstbewusst in diese Wahl. Beim letzten Mal fehlten uns nur knapp 100 Stimmen für den Einzug. Diesmal haben wir einen größeren Zusammenschluss und Strukturen in ganz Tirol. Unser Ziel ist in jedem Fall zwei Mandate.
Andreas: Um vorher angeführten Missständen aktiv und kämpferisch entgegenzutreten, stellen wir uns der AK-Wahl. Nachdem wir bei den letzten zwei Wahlen nur knapp ein Mandat verfehlt haben, rechnen wir diesmal fest mit dem Einzug. 70 Mandate sind in Vorarlberg zu vergeben – eins, vielleicht sogar zwei könnten diesmal unsere sein.
Edith: Natürlich freuen wir uns, wenn wir unser Mandat behalten können und noch mehr, wenn wir Mandate dazugewinnen. Linke Positionen in die Arbeiterkammer zu tragen ist unser Ziel.