Kunden als Spekulanten?
Georg Erkinger zum Thema Energiepreise
„Aufgrund der nach wie vor schwierigen Situation am Energiemarkt müssen wir unser Produktangebot bei Pull umstellen. Statt des bisherigen Fixpreis-Tarifes bieten wir Ihnen zukünftig einen Tarif an, welcher an die aktuelle Marktpreisentwicklung gekoppelt ist. Das heißt für Sie als Kundin bzw. Kunde, dass Sie immer den Börsenpreis (= tatsächlicher Marktpreis) für Ihren Verbrauch, inkl. einer geringen Handlingfee (= Abwicklungsgebühr) und den Grundpreis bezahlen. Sinken die Energiepreise an der Börse profitieren Sie natürlich unmittelbar davon.“
Und weiter war in der Mail der Stadtwerke Klagenfurt, welche die Marke Pull vertreiben, zu lesen: „Bei Annahme des neuen Tarifes und basierend auf der aktuellen Marktpreissituation und Ihres bisherigen Verbrauchs verändert sich Ihr monatlicher Teilzahlungsbetrag voraussichtlich ab 1. November 2022 von 48 auf 463 Euro im Monat brutto.“
Früher kam der Strom aus der Steckdose, heute kommt er von der Börse: Der monatliche Arbeitspreis sollte zukünftig aus den Summen aus einem stündlichem Spotpreis multipliziert mit dem Verbrauch je Stunde bezogen auf das Standardlastprofil (SLP) H0 (Haushalte) dividiert durch die Summen aus Verbrauch im Monat von SLP H0 sein. Und da die Stadtwerke Klagenfurt das Ganze nicht aus reiner Nächstenliebe machen, käme dazu noch eine Handlingfee. Einfacher ausgedrückt monatlich 463 statt wie bisher 48 Euro für Strom.
Mit Massenkündigungen versuchen einzelne Stromlieferanten günstige Bestandskundentarife aufzulösen und bieten den Gekündigten einen neuen Tarif mit exorbitant gestiegenen Kosten an. Vielfach sind diese Tarife an die Preisschwankungen an einer Strombörse gebunden. Die komplexen Formeln variieren dabei von Anbieter zu Anbieter.
Recht auf Grundversorgung
Wer nicht abgezockt werden will, kann sich über das Recht auf Grundversorgung wehren. Ursprünglich für Menschen in Zahlungsschwierigkeiten gedacht und kaum genutzt, bietet dieses Instrument unabhängig von der finanziellen Situation der Betroffenen einen Ansatzpunkt, um günstiger Strom zu beziehen.
Dazu reicht ein formloses Schreiben, ein Musterbrief kann von E-Control heruntergeladen werden. Laut Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz darf der Grundversorgungstarif nicht höher sein als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl der Kunden eines Anbieters versorgt wird. Die Preisersparnis ergibt sich also aus der Differenz zwischen Neu- und wesentlich günstigeren Bestandskundentarifen. Das Gaswirtschaftsgesetz hat eine vergleichbare Regelung.
Versorger behindern Grundversorgung
Ausgewählt werden kann jeder Lieferant, der im jeweiligen Netzgebiet aktiv ist. Dabei sind die Grundversorgungstarife aber stark unterschiedlich. Grundversorgungstarife scheinen nicht im Vergleichsrechner von E-Control auf und werden meist nur sehr versteckt auf den Websites der Energielieferanten veröffentlicht. Mittlerweile werden auch immer mehr Fälle bekannt, in denen Anbieter versuchen das Recht auf Grundversorgung zu beschneiden.
Der GLB hat daher in der steirischen AK-Vollversammlung eine verbesserte Veröffentlichungspflicht und scharfe Sanktionen für Unternehmen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, stark gemacht.