Metall-KV: Klassenkampf von oben
400 Betriebsversammlungen, Warnstreiks in 350 Betrieben, der Druck der Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben war da. Damit erreichten sie eine Lohnerhöhung um 3,55 Prozent für die Ist-Löhne. Mit ihren Kämpfen konnten sie die Blockadehaltung der Kapitalisten, die lediglich 2,75 Prozent Erhöhung geben wollten, durchbrechen. Aber kann man mit dem Abschluss zufrieden sein? Diejenigen, die die 3,55 Prozent erhalten werden möglicherweise sich freuen. Aber die Kapitalisten legten viele Fallen, die das Ergebnis relativieren. Und die Verhandlungskommission der Gewerkschaften ließen sich darauf ein. Allein Hilde Tragler vom Gewerkschaftlichen Linksblock hat Rückgrat bewiesen und dagegen gestimmt. Warum?
Bei niedrigeren Löhnen geringere Erhöhung
Die 3,55 Prozent gelten nur für die aktuell eingestellten Beschäftigten, die nun alle zu Ist-Löhner*innen geworden sind. Aber alle nach dem KV-Abschluss eingestellten Kolleg*innen werden diese 0,55 prozentige Differenz weniger verdienen. Sie werden zu KV-Löhner*innen. Es ist ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung, also ein Spaltpilz in die Metaller-Beschäftigten gesetzt worden. Das halbe Prozent macht vielleicht in diesem Jahr wenig aus, verzinseszinst sich aber Jahr für Jahr. Damit geht die Einkommensschere weiter auseinander.
Hinzu kommt, dass bei den heute schnelllebig gewordenen Arbeitsverhältnissen, man sehr schnell vom Ist-Löhner im alten Betrieb zum KV-Löhner im nächsten Betrieb werden kann. Der sogenannte „Ist-Lohn-Bonus“ wird daher für viele rasch wieder verloren sein.
Unverständlich, dass sich die Gewerkschaftskommission auf die Spaltung bei den Löhnen zwischen Bestandsbeschäftigten und Neu-Eingestellten eingelassen hat. Mit solidarischer Lohnpolitik hat das wenig zu tun. Offensichtlich aber planen die Unternehmer in Zukunft nur mehr KV-Löhne zu zahlen, also das Lohnniveau nachhaltig abzusenken.
Sonntagsarbeit ausgeweitet statt die Arbeitszeit zu verkürzen
„Die Möglichkeit für Wochenendarbeit bei nachvollziehbaren erhöhten Arbeitsbedarf wird – befristet auf zwei Jahre – um sechs Sonntage erweitert.“ Damit kann das Familienleben jetzt sogar an zehn Sonntagen zerstört werden, um Autos an Sonntagen zu bauen. Wer von uns braucht denn das? Nur die Unternehmer, die, um im kapitalistischen Konkurrenzsystem schneller liefern zu können, damit höhere Profite einzufahren.
Freilich, „dafür ist die Zustimmung des Betriebsrates oder der Gewerkschaften notwendig“. Aber jede und jeder weiß, wie leicht Belegschaften und ihre Betriebsräte gegeneinander ausgespielt werden können – in ihrer Angst um die Arbeitsplätze. Kollektivverträge sollen genau dieses Ausspielen verhindern. Ausnahmeregelungen laufen diesem Gedanken voll zuwider. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich steht überhaupt nicht mehr auf der Agenda.
Und dass alle weiteren Arbeitszeitfragen in eine „Experten“gruppe ausgelagert wurden, klingt wie eine Drohung. Denn wir wissen, die die unternehmerfreundlichen Experten zur Arbeitszeitverlängerung stehen. Schließlich erinnern wir uns an den Juni 2018, wo wir sogar mit Zehntausenden versucht haben, den 12-Stunden-Tag zu verhindern. Heute ist er vielen Bereichen bereits Realität. Die Unternehmer gehen den Weg der fast unmerkbar kleinen Schritte.
Sechsjährige Laufzeit für Zulagenkollektivvertrag
Die Zulagen für die zweite Schicht sind in einem dreijährigen, die für die dritte Schicht in einem sechsjährigen KV festgeschrieben. Die Erhöhung für die dritte Schicht um 58,5 Prozent klingt gewaltig. Konkret bedeutet das jedoch, dass der Betrag von 2,52 Euro sich in sechs Jahren auf nur vier Euro erhöhen wird. Wer weiß, wie sich die Inflation in diesen Jahren entwickeln wird?
Seit einiger Zeit steigt sie kontinuierlich weiter. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich das in der umfassenden Krisenlage ändern wird. Es ist unverantwortlich, sich für so viele Jahre binden zu lassen. Vor allem aber ist es ein Einstieg der Unternehmer in längere Laufzeiten, wenn sie es auch – scheinbar harmlos – „nur“ bei den Zulagen erreicht haben.
Aktuelle Inflationsrate
Die Jahresinflationsrate der vergangenen zwölf Monate sei nur 1,89 Prozent gewesen, so der unsägliche Kommentar von Herrn Knill, dem Fachverbandsobmann der Metalltechnischen Industrie (FMTI). „Was aber“ fragt sich Käufer und Käuferin vor dem gefüllten Einkaufskorb am Wochenende, „nützt mir die niedrigere Teuerungsrate der Vergangenheit?
Heute muss ich für um 3,4 Prozent höhere Preise bezahlen, und morgen wahrscheinlich noch mehr.“ Der Inhalt des Wochenendkorbes wird immer kleiner. Kein Wunder, denn die Reallöhne sind im Vorjahr schon in Österreich um 0,7 bis 0,8 Prozent zurückgegangen. Es sei immer so gewesen, dass die vergangene Inflationsrate zur Grundlage genommen werde, heißt es. Dann ist es höchste Zeit, dass zu ändern! Denn die Kalte Progression wird ebenfalls auf’s Geld im Börserl zugreifen.
Produktivitätsfortschritt
Von ihrer erarbeiteten Produktivitätssteigerung bekommen die Beschäftigten, bei der jetzt bestehenden Inflationsrate von 3,4 Prozent, nicht mal einen Krümmel. Die Beschäftigten haben einen Produktivitätszuwachs erarbeitet, der durchschnittlich jährlich bei etwa drei Prozent liegt. Auch sie haben ein Anrecht darauf. Mit ihren Köpfen und Körper haben sie sie Produktivität erarbeitet. Es ist nicht einzusehen, warum die Unternehmer sie allein in ihre Taschen schieben.
Gewinne der Unternehmer
Die Unternehmer haben sich in der Pandemiezeit enorme Gewinne erarbeiten lassen. Darunter Magna Steyr und die Andritz AG in Graz oder die Voestalpine. Die Linzer verdienten 32 Millionen Euro, die Dividende soll von 20 auf 50 Cent je Aktie aufgestockt werden. Die Andritz AG verdoppelt die Dividenden-Ausschüttung. Die AktionärInnen zahlen sich 104 Millionen Euro aus.
Noch im letzten Jahr nahm der Konzern 28 Millionen Euro an staatlichen Kurzarbeitsgeldern in Anspruch und kündigte 180 MitarbeiterInnen. Das wurde damals mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation begründet. Größter Aktionär ist der Milliardär Wolfgang Leitner. Er allein erhält 32,7 Millionen Euro. Höhere Löhne könnten die gut verdienenden Unternehmer allemal auch in Zukunft zahlen. Vier Prozent Wachstum heuer und fünf Prozent nächstes Jahr, prognostiziert das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo.
Lehrlinge
Und damit relativieren sich auch die Erhöhungen der Lehrlingsgehälter. Klar ist es schön, für den Einzelnen, wenn er 800 Euro im ersten Lehrjahr erhält. Aber gefordert hatten sie 1000 Euro, sie tragen schließlich auch zum Produktivitätsfortschritt bei.
Urabstimmung
Der Kampf der Kolleg*innen war nötig. Aber er hat nicht ausgereicht. Kampfkraft war noch da. Streiks waren vorbereitet. Die KollegInnen waren streikbereit. Es bleibt unverständlich, warum die Verhandlungskommission der Gewerkschaften diese Kraft nicht genutzt hat. Die KollegInnen müssen gefragt werden, ob sie mit einem Ergebnis, das unter ihrer Forderung lag, zufrieden sind, oder ob sie weiterkämpfen wollen. Der demokratische Akt dazu ist die Urabstimmung.
Wir sind stolz auf Hilde Tragler, die GLB-Vertreterin in der Verhandlungskommission der PRO-GE, die als Einzige gegen die Annahme des Abschlusses gestimmt hat. Aber es ist notwendig, dass alle gehört werden. Es geht um das Geld von allen. Eine Urabstimmung muss her.