Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft
Was heute in der Regel als „Gründung“ des GLB bezeichnet wird, war in Wahrheit eine Umbenennung einer damals bereits seit mehr als 20 Jahren bestehenden Organisation.
Im November 1974 beschloss eine außerordentliche Bundeskonferenz eine Namensänderung von Fraktion der Gewerkschaftlichen Einheit (GE) in Gewerkschaftlicher Linksblock – Kommunisten, Linke Sozialisten und Parteilose. Die GE war 1952 als institutionalisierte Form der Zusammenarbeit der kommunistischen Gewerkschaftsfraktion mit linkssozialistischen und parteilosen fortschrittlichen Gewerkschafter:innen etabliert worden. Sie ging aus den Erfahrungen hervor, die die KPÖ nach 1945 bei Betriebsratswahlen mit gewerkschaftlichen Einheitslisten gesammelt hatte.
Die Umbenennung der GE war notwendig geworden, weil schon bei den Personalvertretungswahlen der Eisenbahner im Dezember 1973 und auch bei der AK-Wahl wenige Wochen vor der Konferenz eine Gruppe von Gewerkschafter:innen unter der konkurrierenden Listenbezeichnung Arbeitsgemeinschaft für Gewerkschaftliche Einheit angetreten war. Bereits im Mai 1970 hatten drei Angehörige der GE aus dem Tanklager Lobau einen gleichlautenden Verein angemeldet. Im Mai 1971 traten jene GE-Funktionäre um Egon Kodicek, die der damaligen KPÖ-Entwicklung kritisch bzw. ablehnend gegenüber standen, aus der GE aus und konstituierten im Juni den Verein auch öffentlich.
Obwohl sich 635 Betriebsräte und Vertrauensmänner – das waren 95 Prozent der Gewerkschaftsfunktionär:innen der GE – von diesem Spaltungsversuch distanzierten, wurde der Arbeitsgemeinschaft der GE seitens der Gewerkschafts- und SPÖ- Führung eine gewisse Legitimität zuerkannt, nicht zuletzt da darin eine Chance erblickt wurde, die mit der KPÖ verbundene GE zu schwächen. 1973 wurde bei der Eisenbahnerwahl jene Liste als Gewerkschaftliche Einheit zugelassen, die der aus der GE ausgetretene Mandatar des Zentral- ausschusses Wilhelm Schaubmair eingereicht hatte.
Um dies zu ermöglichen, wurde knapp vor der Wahl sogar die Wahlordnung geändert. Die mit der KPÖ verbundene GE war deshalb gezwungen, erstmals unter einem neuen Listennamen anzutreten, wobei die Wahl auf die Bezeichnung Liste der Kommunisten, Linken, Sozialisten und Parteilosen (Linksblock) fiel. Während Schaubmair mit dem „gestohlenen“ Namen nur 610 Stimmen erreichte, konnte sich der Linksblock von 4.785 auf 5.236 Stimmen steigern.
Trotz der offensichtlichen Verwechslungsgefahr legten die Wahlbehörden der Arbeitsgemeinschaft für GE auch bei der AK-Wahl im Jahr 1974 keine Prügel in den Weg, unter dieser Bezeichnung kandidieren zu können. Vor diesem Hintergrund beschloss die Bundesleitung der Gewerkschaftlichen Einheit bereits Ende Jänner dieses Jahres, im September unter der Listenbezeichnung Kommunisten, Linke Sozialisten und Parteilose (Gewerkschaftlicher Linksblock) anzutreten. Der Linksblock konnte sich bei der Wahl von 26.230 auf 29.281 Stimmen steigern und zehn Mandate erringen, während die als GE kandidierende Kodicek-Gruppe nur ein Mandat erreichte. Das Antreten dieser Gruppe war jedoch dafür verantwortlich, dass es in Wien als einzigem Bundesland Stimmenverluste gegeben hatte.
Anknüpfend an diese Erfahrungen und mit der Absicht, künftigen Verwirrungsmanövern vorzubeugen, trat am 23. November 1974 in der Wielandschule im 10. Wiener Gemeindebezirk eine außerordentliche Bundeskonferenz zusammen, um die Namensänderung in Gewerkschaftlicher Linksblock zu beschließen.
Das Motto der Konferenz lautete „Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft“. Damit entstand der GLB als Umbenennung der bis dahin mit der KPÖ verbundenen GE. Darstellungen, wie sie auch heute noch in Schulungsunterlagen von AUGE/UG zu lesen sind, wonach die GE 1968 als Ganzes mit der KPÖ „gebrochen“ und sich 1971 neu gegründet habe, entsprechen also nicht den Tatsachen.
Die Kontinuität des GLB zur GE kam auch darin zum Ausdruck, dass die im August 1975 im Wiener Kongresshaus zusammentretende Bundeskonferenz nicht als erste, sondern als sechste Bundeskonferenz gezählt wurde (die fünfte Bundeskonferenz der GE hatte 1971 stattgefunden). Anton Hofer wurde dort als Vorsitzender und Rudolf Streiter als Sekretär bestätigt. Ernst Schmidt und Margarethe Steiger (Klug) wurden zu stellver- tretenden Vorsitzenden gewählt.
Auch die seit 1947 erscheinende und bis 1974 von der GE herausgegebene Zeitschrift „Die Arbeit“ wurde – und wird bis heute – unter diesem Namen weitergeführt. Die Arbeitsgemeinschaft für Gewerkschaftliche Einheit wiederum blieb bei Betriebsrats- und AK-Wahlen in den 1970er Jahren ohne größere Bedeutung, sie entwickelte sich jedoch in den 1980ern unter dem Eindruck des Entstehens der Grünen Alternative zur Gewerkschaftlichen Einheit – Alternative Gewerkschafter:innen weiter. In den 1990er Jahren schloss sie sich mit anderen alternativen Gewerkschaftsgruppierungen zur AUGE – Alternative und Grüne Gewerkschafter:innen zusammen.
Manfred Mugrauer ist Historiker und Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.
Foto: Bundeskonferenz des GLB 1974