Kein Vorwurf an die Unternehmen
In seiner Rede bei der steirischen AK-Vollversammlung am 10. November 2022 sprach Präsident Pesserl über aktuelle Belastungen, dass Bürger*innen und Unternehmen Probleme haben und sich kein Ende der Preisspirale abzeichnet. Die Entwicklungen würden den Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährden. Zwar sprach sich der Präsident für Eingriffe aus, jedoch merkte Pesserl zu den explodierenden Strompreisen an, dass er den Unternehmen keinen Vorwurf mache und „wir alle keine Feinde des Marktes bzw. des Wettbewerbs“ seien.
Während der ÖAAB-FCG-Fraktionsvorsitzende seine Wortmeldung zum Schönreden der Regierungsmaßnahmen benutzte, kritisierte Georg Erkinger für den GLB die Maßnahmen als unzureichend und zum Teil in die falsche Richtung gehend: „Es ist bisher keine Besteuerung der Übergewinne erfolgt, die Schieflage der Steuerstruktur besteht nach wie vor, die Strompreisbremse deckelt den Preis nicht, sondern ist lediglich ein Zuschuss von bis zu 30 Cent pro Kilowattstunde.“
An den AK-Präsidenten gerichtet, erklärte Erkinger, dass der Markt in gewissen Bereichen, wie der Daseinsvorsorge nichts verloren habe und er den Unternehmen sehr wohl einen Vorwurf mache, um anschließend aus dem Aktiengesetz zu zitieren. Paragraph 70 habe bei der Leitung einer Aktiengesellschaft „das Wohl des Unternehmens unter der Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre, aber auch der Arbeitnehmer*innen und des öffentlichen Interesses“ zum Ziel.
Bei den Energiepreissteigerungen sei jedoch einzig das Interesse der Aktionär*innen berücksichtigt worden. Der GLB-Kammerrat erinnerte daran, dass diese Kritik an den Konzernen zuvor vom leitenden Sekretär der PRO-GE und Ex-Minister Alois Stöger in einer Arbeitsgruppe zum Leitantrag des nächsten ÖGB-Bundeskongresses geäußert wurde.
Alle vier Anträge des GLB wurden mehrheitlich angenommen: Die Forderungen nach Durchsetzung des Rechts auf Grundversorgung bei Strom und Gas, Inflationsanpassung der Sozialleistungen des Landes Steiermark, Anhebung der Einkommensgrenzen beim Kautionsfonds und Rücknahme der Körperschaftssteuersenkung fanden die Zustimmung von FSG und AUGE/UG.
Die FPÖ-Arbeitnehmer stimmten beim ersten Antrag auf Zuweisung und nahmen die anderen drei GLB-Anträge an. Nur die ÖAAB-FCG-Fraktion stimmte keinem Antrag zu, wobei Antrag eins und zwei zugewiesen werden sollten und die Verbesserungen beim Kautionsfonds und die Rücknahme der KöSt-Senkung abgelehnt wurde.
Die Anträge des GLB im Wortlaut:
Antrag 1: Recht auf Grundversorgung durchsetzen!
Die Preise für Energie haben in den letzten Wochen und Monaten immer neue Rekordwerte erreicht. Vielfach wurden etwa Stromkund*innen mit vergleichsweise günstigen Tarifen von ihren Lieferanten gekündigt, um im gleichen Atemzug einen neuen Vertrag mit einer exorbitanten Preissteigerung angeboten zu bekommen.
Ab 1. Dezember tritt das Stromkostenzuschussgesetz – SKZG in Kraft, welches einen Stromkostenzuschuss in Höhe von maximal 30 Cent pro Kilowattstunde für ein Grundkontingent von 2900 Kilowattstunden pro Jahr vorsieht. Im Jahr 2023 sind im SKZG-Budgetmittel in Höhe von 2.733.195.000 Euro vorgesehen, die in die Taschen der Stromkonzerne wandern sollen.
Gleichzeitig deckelt das SKZG die Strompreise nicht, sondern bezuschusst nur ein gewisses – oft nicht ausreichendes – Kontingent. Gerade wenn Heizung und Warmwassererzeugung mittels Strom betrieben werden, tritt dieser Fall häufig ein.
Im Oktober betrug der Neukundenpreis für eine Kilowattstunde Strom laut E-Control im Median 59,9 Cent. Damit wird klar, dass aus den – von der Bundesregierung in Aussicht gestellten – zehn Cent pro Kilowattstunde für viele Neukund*innen nichts wird und wesentlich höhere Kosten zu tragen sind.
Dabei gibt es mit der Grundversorgung bereits ein wenig bekanntes Instrument, dass es wirksam schafft, die explodierenden Konzerngewinne zu beschränken und Haushalten unabhängig von der Verbrauchshöhe Zugang zu leistbarem Strom zu verschaffen.
Das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 regelt in Paragraf 77: Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl ihrer Kunden, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs.1 Z 2 KSchG sind, versorgt werden.
Damit ergeben sich für KonsumentInnen, die sich auf ihr Recht auf Grundversorgung berufen enorme Einsparungsmöglichkeiten. Aus der E-Wirtschaft, aber auch vom Vorstand der E-Control kommen Äußerungen zur Einschränkung des Rechts auf Grundversorgung. Grundversorgungstarife finden sich meist sehr versteckt auf den Homepages der Energieversorger, teils werden Neukundentarife als Grundversorgungstarife ausgewiesen und KundInnen wird der Zugang zur Grundversorgung teilweise gänzlich verweigert.
Die 7. Vollversammlung der steirischen Arbeiterkammer fordert daher die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf:
Sämtlichen Bestrebungen einer Einschränkung des Rechts auf Grundversorgung bei Strom und Gas eine Absage zu erteilen
Einen Gesetzesentwurf vorzubereiten und dem Parlament vorzulegen, der zum Ziel hat, die Veröffentlichungspflicht der Grundversorgungstarife von Strom und Gas zu präzisieren, sodass diese ebenso leicht wie die sonstigen Tarife eines Anbieters von den KonsumentInnen gefunden werden können. Und der wirksame Sanktionsmechanismen mit empfindlichen Sanktionen vorsieht, wenn Energieversorger dieser Veröffentlichungspflicht bzw. der Pflicht zur Grundversorgung nicht nachkommen oder der angebotene Grundversorgungstarif den Bestimmungen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 bzw. des Gaswirtschaftsgesetz 2011 nicht entspricht.
Antrag 2: Steirische Sozialleistungen jährlich an die Inflation anpassen!
Gerade jene, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, werden von den aktuellen Preisentwicklungen massiv getroffen. Durch die Teuerung verlieren Beihilfen und Auszahlungen sukzessive an Wert. Eine Erhöhung von Sozialleistungen wäre deshalb die treffsicherste Unterstützung für Menschen am unteren Einkommensende.
In anderen europäischen Ländern ist es durchaus üblich, automatische Anpassungen bei Leistungen der öffentlichen Hand vorzunehmen. So erhob die Europäische Union, dass etwa zwei Drittel der EU-Mitgliedsstaaten regelmäßig Inflationsanpassungen im Bereich der Familienleistungen durchführen. Österreich, das oft als eines der reichsten Länder der Erde gepriesen wird, gehört nicht zu diesen Staaten.
Angesichts der immensen Teuerung wäre es jedoch höchst an der Zeit, eine Regelung zu finden, bei der alle Sozialleistungen des Landes Steiermark einer jährlichen Indexierung unterzogen werden. Vielen Menschen, die mit den Auswirkungen der Inflation kämpfen, ist es unbegreiflich, warum eine solche Anpassung etwa bei der Parteienförderung möglich ist, nicht jedoch bei vielen Sozialleistungen.
Die Teuerung sorgt für einen starken Kaufkraftverlust bei BezieherInnen von Sozial- und Familienleistungen, viele Menschen können selbst ihre Fixkosten nicht mehr bestreiten. Besonders betroffen sind auch Familien und Alleinerziehende. Dieses Faktum wird auch im steirischen Sozialbericht 20/21 erneut bestätigt. Um den Wertverlust von Sozialleistungen des Landes zu verringern, braucht es dringend eine jährliche Inflationsanpassung sämtlicher Sozial- und Familienleistungen, wie zum Beispiel der Wohnunterstützung, des Heizkostenzuschusses, der Kinderbetreuungsbeihilfe, der Lehrlingsbeihilfe etc.
Die 7. Vollversammlung der steirischen Arbeiterkammer fordert daher die steirische Landesregierung auf, sämtliche Sozial- und Familienleistungen, Unterstützungen und Beihilfen in allen Ressorts einer jährlichen Inflationsanpassung zu unterziehen.
Antrag 3: Einkommensgrenzen des Kautionsfonds anheben!
Die steigenden Wohnkosten machen es für Menschen mit geringeren Einkommen immens schwer, leistbaren Wohnraum zu finden. Neben den hohen Mietpreisen sind jene Kosten eine Hürde, die bei Bezug einer neuen Wohnung einmalig entstehen, wie die zu entrichtende Kaution.
Um Personen mit geringem Einkommen bei der Aufbringung der Kaution zu helfen, hat das Land Steiermark einen Kautionsfonds eingerichtet, bei dem seit 2017 um einen Beitrag zur Kaution angesucht werden kann. Im Sozialbericht 2020/21 wird die Funktion des Kautionsfonds folgendermaßen erklärt: „Der Kautionsbeitrag ist innerhalb von drei Jahren zurückzuzahlen. Es ist sozusagen ein zinsenloses Darlehen, das in kleinen und daher leistbaren Monatsraten rückerstattet werden muss. Danach kommt es wieder anderen Wohnungssuchenden zugute: Denn das zurückfließende Geld wird erneut für die Unterstützung weiterer Kautionszahlungen zur Verfügung gestellt.“ Auch auf die aktuell gültigen Einkommensgrenzen wird im Bericht Bezug genommen: „Als Einkommensgrenze für die Gewährung des Kautionsbeitrages gilt bei Ein-Personen-Haushalten ein Monatseinkommen von 1.208 Euro, für Paare bzw. Haushaltsgemeinschaften 1.812 Euro. Pro Kind im Haushaltsverband werden weitere 402,67 Euro angerechnet.“
Vergleicht man diese Einkommensgrenzen mit den Zahlen zur Armutsgefährdungsschwelle im Kapitel „Armutsbekämpfung und soziale Sicherheit / Armutsbericht“ des Sozialberichts, so sieht man, dass die Armutsgefährdungsschwelle laut EU-SILC 2021 höher liegt, als die für den Kautionsfonds festgelegten Einkommensgrenzen: „Laut EU-SILC 2021 liegt die Armutsgefährdungsschwelle bei rund 16.457 Euro pro Jahr für einen Einpersonenhaushalt, ein Zwölftel davon entspricht einem Monatswert von 1.371 Euro. Die Anpassung für Mehrpersonenhaushalte erfolgt nach der EU-Skala, die die erste erwachsene Person im Haushalt mit einem Konsumäquivalent von 1, jeden weiteren Erwachsenen mit 0,5 und jedes Kind (unter 14 Jahren) mit 0,3 gewichtet. So erhöht sich die Armutsgefährdungsschwelle für jede weitere erwachsene Person im Haushalt um 686 Euro im Monat, für jedes Kind unter 14 Jahren um 411 Euro.“
Daraus lässt sich schließen, dass Personen, die um einen Kautionsbeitrag ansuchen können, die Armutsgefährdungsschwelle bereits unterschritten haben müssen. Im Sinne der Armutsbekämpfung müssten die Einkommensgrenzen zumindest auf das Niveau der EU-SILC-Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden.
Die 7. Vollversammlung der steirischen Arbeiterkammer fordert daher die steirische Landesregierung auf, die Einkommensgrenzen für die Gewährung des Kautionsbeitrages zu erhöhen.
Antrag 4: Körperschaftssteuersenkung zurücknehmen!
Die krisenbedingt gesetzten Maßnahmen prägen das Budget des nächsten Jahres. Wie in den letzten Jahren weist das Budget ein kräftiges Defizit auf. Das Maastricht-Defizit soll im nächsten Jahr bei 2,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Einnahmenseitig besteht nach wie vor die Schieflage, dass rund vier Fünftel des Steueraufkommens von ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und PensionistInnen stammen und sich diese die Krisenkosten und die Entlastungspakete somit quasi selbst bezahlen.
Gleichzeitig haben die Verwerfungen in Folge des Ukraine Krieges dazu geführt, dass die Gewinne in manchen Branchen explodiert sind. Eine Übergewinnsteuer ist in Österreich nach wie vor nicht umgesetzt. In dieser Gemengelage werden mit der Körperschaftssteuersenkung ausgerechnet jene Konzerne entlastet, die dies am wenigsten brauchen.
Die 7. Vollversammlung der steirischen Arbeiterkammer fordert daher den Finanzminister dazu auf, von der ab 2023 und 2024 greifenden Körperschaftssteuersenkung auf letztlich 23 Prozent Abstand zu nehmen und dem Parlament eine Gesetzesvorlage vorzulegen, die zumindest einen Steuersatz von 34 Prozent vorsieht, wie dies vor 2005 der Fall war.