Jubel angebracht?
Josef Stingl über den SWÖ-KV
Seit 1. Jänner gilt für Sozialwirtschaft Österreich, Caritas, Diakonie, mobile Dienste und SOS-Kinderdorf die 37-Stunden-Woche. „Ein Erfolg, dem ein massiver Arbeitskampf inklusive Streikmaßnahmen vorangegangen ist“, jubeln die überwiegend sozialdemokratischen Gewerkschaftsspitzen von GPA und vida.
Unbestritten ist die Arbeitszeitverkürzung ein positiver Schritt in die richtige Richtung. Nur, der Arbeitskampf war auf eine 35-Wochen-Stunde. Mit der Corona-Krise, mit dem Stopp der KV-Verhandlungen und des Arbeitskampfes und mit dem zumindest „komischen“ Abschlussverfahren bleibt es nur bei einer um eine Stunde verkürzte Arbeitszeit nach zwei Jahren.
Zur Erinnerung, trotz des vereinbarten Verhandlungsstopp wurden (fast) alle von einem überfallsartigen und diskussionsverweigernden Rundlauf-Drei-Jahres-Abschluss überrumpelt. Vergangen und vergessen, jetzt profitieren ja unsere viel beklatschten „Held*innen der Arbeit“ zumindest von der etwas verkürzten Arbeitszeit.
Zu einer sinnvollen Arbeitszeitverkürzung gehören allerdings auch Gehalts- und Personalausgleich. Schon beim Lohnausgleich hapert´s „ein bisschen“. Die monatliche Börsel-Befüllung bleibt zwar unverändert, die um eine Stunde verkürzte Arbeitszeitverkürzung gilt allerdings als der Ersatz der diesjährigen monetären Inflationsabgeltung. Das Gehalt wurde so wertgeschmälert, oder anders gesagt, die Kolleg*innen zahlen sich ihre Arbeitszeitverkürzung selbst.
Auch der Effekt des Personalausgleichs ist fragwürdig, denn den zahlreichen Teilzeitkräften wird die vereinbarte Arbeitszeitverkürzung durch die Aufstockung ihrer Teilzeitquote einfach abgekauft. Und den wenigen Vollzeitkräften der Branche wird zwar die Arbeitszeit verkürzt, allerdings oftmals nicht deren Arbeitsleistung. Anders gesagt, auch der Personalausgleich wird den Beschäftigten aufgebürdet. Trotzdem war es ein wichtiger Kampf. Er zeigte, das Arbeitszeitverkürzung ein wesentlicher Wunsch in der Gesellschaft ist.
Josef Stingl ist stellvertretender Bundesvorsitzender des GLB