„Ist das fair?“
Georg Erkinger führte ein Interview mit Doris Ploder
Doris Ploder absolviert ein berufsbegleitendes Kolleg für Elementarpädagogik. Das Besondere in ihrem Fall, sie ist gehörlos.
Die dringend nötige Übernahme der Kosten für Gebärdensprachdolmetscher*innen wird ihr verweigert. Spenden sind derzeit die einzige Möglichkeit zumindest für eine teilweise Finanzierung zu sorgen.
Wie kam es zur Entscheidung eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin zu beginnen?
Ich durfte einige Male ehrenamtlich hörbeeinträchtige Kinder in Kindercamps betreuen und jedes Mal hatte ich viel Spaß. Mein Ziel ist „Sonder“pädagogin zu werden, aber dafür muss ich zuerst die Ausbildung zur Kindergartenpädagogin machen. Danach kann ich die Ausbildung Inklusive Pädagogik machen, um mit hörbeeinträchtigen Kindern zu arbeiten.
Der Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen wächst generell, wie sieht es mit dem Angebot für hörbeeinträchtigte Kinder aus? Wie viele gehörlose Kindergartenpädagog*innen gibt es derzeit?
In ganz Österreich gibt es nur eine Gehörlose, die die Ausbildung zur Kindergartenpädagogin machen durfte. Das ist schade. Es ist leider immer noch keine Pflicht, dass Pädagog*innen, die mit hörbeeinträchtigen Kindern arbeiten eine hohe Gebärdensprachkompetenz haben. In fast jedem Bundesland gibt es zwar einen Kindergarten für hörbeeinträchtigte Kinder, aber viele Kinder werden in Kindergärten unterbracht, wo keine Gebärdensprache angeboten wird. Sie sind dort oft isoliert, weil sie die Lautsprache nicht verstehen. Das führt zu Entwicklungsverzögerungen und oft Schwierigkeiten beim Schul- einstieg.
Dennoch übernehmen weder das Sozialministerium noch das Land Steiermark die Dolmetschkosten für deine Ausbildung, warum eigentlich?
Das Land Steiermark argumentiert, dass es nur für die Pflichtschule zuständig und der Bund verantwortlich ist. Das Sozialministerium wiederum sagt, dass ich die Richtlinien nicht erfülle. Ich habe schon vor zehn Jahren eine Berufsausbildung gemacht. Eine zweite Ausbildung finanzieren sie nicht, obwohl ich bei meiner ersten keine Unterstützung durch Dolmetscher*innen hatte, diese aber mit viel Mühe bestehen konnte. Es läuft derzeit ein Schlichtungsverfahren.
Siehst du hier eine Ungleichbehandlung zu anderen Menschen auf dem zweiten Bildungsweg?
Ja freilich. Personen ohne Beeinträchtigungen dürfen weitere Ausbildungen machen und wir nicht? Ist das fair? Wie viele Jugendliche hatte ich damals keine Ahnung, welche Ausbildung ich machen wollte. Ich studierte zuerst zwei Semester Pädagogik, aber weil da auch niemand die Kosten für die Gebärdensprachdolmetscher*innen übernehmen wollte, brach ich mein Studium ab. Ich war ein Jahr lang arbeitslos und dann war ein Job in Sicht. Natürlich nahm ich diese Stelle an, aber sie war nicht mein Traumberuf. Viele Jugendliche machen nach der ersten Berufsausbildung wieder eine andere. Und ich darf das nicht? Bin ich selbst schuld, dass ich nicht hören kann? Die Politiker*innen reden immer wieder über Inklusion, setzen das aber nicht um. Die Finanzierung für Dolmetscher*innen wäre der beste Weg zur Inklusion.
Wie stellt sich der Alltag in der Ausbildung dar. Wie versuchst du dem Unterricht zu folgen?
Die Dolmetscher*innen finanziere ich über viele Spenden. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Aber sie reichen leider nicht aus. Ich muss immer gut überlegen, wann ich Dolmetscher*innen am dringendsten brauche. Aber ich habe das Glück tolle Kolleg*innen, Lehrer*Innen und einen tollen Direktor zu haben. Sie unterstützen mich viel und manchmal schreiben sie den Unterricht für mich mit. Aber trotzdem wünsche ich mir, dass ich sorgenfrei die Ausbildung machen kann, indem immer Dolmetscher*innen anwesend sind. Ich könnte mich dann auch mit Kolleg*innen austauschen und viele Fragen stellen. Aber das erste Semester habe ich geschafft, auch wenn das ein anstrengender Weg war.
Die Corona-Pandemie hat zu einschneidenden Änderungen geführt, in vielen Bereichen herrscht Maskenpflicht, die Gesichter sind beim Sprechen verdeckt. Wie wirkt sich das auf deinen Alltag und den anderer gehörloser Menschen aus?
Wegen der Maskenpflicht ist das Kommunizieren etwa mit Verkäufer*innen natürlich schwieriger. Anfangs war es sehr schwierig, weil viele ihre Maske nicht herunternehmen wollten, damit wir von ihren Lippen ablesen können. Und das führte oft zu Frustrationen. Mir ist das aber nur 1-2-mal passiert. Nach einiger Zeit wurde das viel besser. Ich wies sie immer auf meine Hörbeeinträchtigung hin und sie nahmen die Masken herunter, versuchen aufzuschreiben oder mit Körpersprache mit mir zu kommunizieren. Es kommt halt auf die Person an. Aber natürlich müssen viele Menschen darüber sensibilisiert werden
Du engagierst dich auch im steirischen Landesverband der Gehörlosenvereine. Welche Angebote gibt es?
Wir versuchen, den Alltag hörbeeinträchtige Menschen in der Steiermark zu erleichtern. Wir wollen, dass wir auch in der Gesellschaft integriert werden. Zum Beispiel: Barrierefreies Fernsehen, barrierefreie Informationen, etc. Wir bieten Veranstaltungen, Vorträge, etc. in Österreichischer Gebärdensprache an. Im Moment ist uns die Bildung hörbeeinträchtigter Kinder und Jugendlicher besonders wichtig. Bundesweit ist der Österreichische Gehörlosenbund der Dachverband, an den man sich wenden kann.
Wenn dich jemand finanziell unterstützen möchte, wo kann man für deine Kosten (rund 45.000 Euro für ein volles Semester) für die Gebärdensprachdolmetscher*innen deiner Ausbildung spenden?
Es gibt ein Spendenkonto mit dem IBAN AT96 3849 9000 0405 5380. Außerdem kann man über betterplace.me, einer gemeinnützigen Plattform auch für mein Anliegen „Geben Sie Gleichberechtigung eine Chance“ spenden. Möglich ist das auch mit Kreditkarte.
Doris Ploder ist in Ausbildung zur Kindergartenpädagogin und im steirischen Landesverband der Gehörlosenvereine engagiert