In Deutschland künftig „Offizialdelikt“
Oliver Jonischkeit über die Verhinderung von Betriebsratswahlen
In Deutschland kann in der Regel ab fünf Beschäftigten ein Betriebsrat gegründet werden. Die IG Metall geht jedoch davon aus, dass Unternehmen jeden sechsten Versuch behindern.
Laut Studien (Süddeutsche Zeitung, 2.2.2022) ist vor allem in Klein- und Mittelbetrieben, die von Inhabern selbst geführt werden, der Widerstand besonders groß: „Hatte in den 1990er Jahren noch jeder 2. Arbeitnehmer einen Betriebsrat, so sind es heute weniger als 40 Prozent“.
Laut § 119 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes ist auch das Verhindern einer Betriebsratsgründung strafbar – Strafrahmen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Dieser ist den deutschen Gewerkschaften noch zu niedrig. Künftig sollen Vergehen gegen den § 119 als Offizialdelikt geahndet werden. Wenn Unternehmer versuchen, eine Betriebsratswahl zu behindern, reicht eine Strafanzeige, um ein Verfahren in Gang zu setzen.
Kärntens AK-Präsident Goach fordert eine entsprechende Regelung auch in Österreich: „Wer bei uns z.B. eine Betriebsratsgründung verhindern will oder Betriebsräte in ihrer Arbeit behindert, sollte ebenfalls mit strafrechtlichen Konsequenzen konfrontiert werden“ (AK Kärnten, 30.11.2021).
Das ist durchaus eine Überlegung wert. Schließlich versuchen auch in Österreich Unternehmer*innen, leider auch oft erfolgreich, Betriebsratswahlen zu verhindern. Bekannt sind die Drogerieketten Müller und Douglas. Laut GPA gibt es im Einzelhandel viele Betriebe ohne Betriebsrat. Neben Bau- und Elektrogroßmärkten hat etwa MPreis mit ca. 6.000 Beschäftigten nach wie vor keinen Betriebsrat.
Kaum wurde eine geplante Betriebsratsgründung bei Servus-TV bekannt, wurden die 260 Beschäftigten beim AMS zur Kündigung angemeldet. Diese Maßnahme wurde erst nach einem Gespräch des Oligarchen Mateschitz mit der Arbeiterkammer zurückgenommen – nachdem die betroffenen Beschäftigten mehrheitlich einen Brief unterschrieben haben, in dem sie versicherten, nicht an die Gründung eines Betriebsrates zu denken.
Daher ist es auch bei uns an der Zeit, darüber nachzudenken, wie künftig strenger gegen die Verhinderung von Betriebsratsgründungen vorgegangen werden kann.