Gutes Schlafen?
Anne Rieger zur Humanisierung der Schichtarbeit
„In Österreich arbeiten fast 20 Prozent der Beschäftigten im Schicht-, Turnus- oder Wechseldienst. Dass Arbeitszeiten gegen die innere Uhr auf Dauer Gesundheit und Privatleben gleichermaßen belasten, ist bekannt“, schreibt die PRO-GE richtigerweise.
Trotzdem weist sie auf ihrer Webseite auf eine kürzlich erschienene Studie hin, die sich insbesondere den Auswirkung von Schichtarbeit auf den Schlaf widmet. Als Lösung empfiehlt die Mitautorin der Studie, Celine Vetter, „arbeitswissenschaftlich optimierte Schichtpläne oder Gleitzeit in der Schichtarbeit“.
Die Suche nach sogenannten „optimalen Schichtplänen“ zur Humanisierung der Schichtarbeit geht schon ins letzte Jahrhundert zurück. Sie wurden nicht gefunden, Denn erstens ist fehlender Schlaf nicht alles, was Schichtarbeiter*innen belastet und zweitens ist eine Reduzierung dieser schwer gesundheitsschädlichen Arbeitsweise die dringendste Forderung. Das wäre eine Präventionsmaßnahme. Darum drücken sich Unternehmer und Dienstgeber, denn das würde an ihren Profiten knabbern.
Den Fokus nur auf die Schlafqualität mit einer Schichtplanoptimierung zu setzen, greift entschieden zu kurz, führt in die Irre und kann Belegschaften spalten. Die Belastungen von Schichtarbeiter*innen sind umfassender – wie die anderer Beschäftigter auch.
Sie hängen von Gestaltung des Arbeitsplatzes, von der Arbeitsumgebung, von fehlendem Personal, der Länge der Arbeitszeit und weiteren Bedingungen ab. Der gesamte Arbeitsplatz, das Leben und Umfeld der Schichtarbeiter*innen muss berücksichtigt werden, und damit auch psychische und soziale Aspekt der Auswirkung der Schichtarbeit.
Gesundheit ist immer ganzheitlich zu denken. Ohne Schlaf geht es nicht, aber Schlaf ist nicht alles. Wenn in der Studie ausgeführt wird, dass bereits zwei oder vier Nachtschichten zum Schlafdefizit führen, und damit indirekt die Forderung erhoben wird, schnellere Schichtwechsel zu organisieren, dann abstrahiert das völlig von dem sozialen Wesen Mensch, der auch ein Vereinsleben, ein regelmäßiges Familienleben und ein gleichmäßiges eigenes Leben braucht.
In einer Studie wurden aktive und ehemalige Beschäftigte mit und ohne Schichtarbeit im Vergleich befragt. Dabei stellte sich heraus, dass die Wünsche nach unterschiedlichen Schichtplänen natürlich auch vom Chronotyp, in entschieden größerem Ausmaß aber von der Lebenssituation der Menschen abhängen.
Und jede dieser Lebenssituationen muss man ernst nehmen. Konzentriert man sich auf eine Schichtplandiskussion in den Dienststätten, wird es notwendigerweise schwer Kompro- misse geben können und eine Spal- tung der Belegschaft ist vorherzusehen.
Nur eine Einschränkung von Schichtarbeit, wo sie nicht lebensnotwendig ist, und eine starke Reduzierung der Nachtschichten im Gesundheits- und Pflegebereich, verbunden mit mehr Personal, würde zur Huma- nisierung führen.
Es stünde einer Gewerkschaft gut an, solche Forderungen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die „Aufklärung über die Rolle des Schlafes“. Das wissen die Menschen eh selbst, darüber brauchen sei keine Aufklärung von „Wissenschaftler*innen“.