Gegen Einschränkung des Streikrechts
Oliver Jonischkeit über Generalstreiks und Kampfmaßnahmen in Europa
Auf Initiative des GLB hat die 178. Vollversammlung der Wiener AK alle Versuche, Arbeitskämpfe einzuschränken, zu erschweren oder zu verbieten, entschieden abgelehnt. Bei der geplanten Verordnung über das Binnenmarkt-Notfallinstrument (SMEI) soll jedenfalls eine verbindliche Formulierung aufgenommen werden, die den Schutz des Streikrechts gewährleistet.
Zum Hintergrund: die geplante neue „Krisenverordnung“ der EU soll eine bisherige ersetzen, in der das Recht auf Streik ausdrücklich erwähnt wird – im Gegensatz zur geplanten neuen Verordnung. Allerdings gibt es auch jetzt bereits immer wieder Eingriffe ins Streikrecht – eine Übersicht:
Frankreich: Beim Ausstand der Raffineriearbeiter*innen schlug sich die Regierung auf die Seite der Konzerne. Macron und seine Premierministerin Elisabeth Borne griffen mit der Zwangsrekrutierung von Beschäftigten massiv in den Arbeitskampf ein. Lohnempfänger*innen, die den Arbeitseinsatz verweigern, riskieren empfindliche Geld- oder Freiheitsstrafen.
All dies sorgte am 18. Oktober für einen landesweiten Generalstreik, dem hunderttausende Kolleg*innen unter der Führung der CGT folgten und der sich gegen Regierung und Konzerne gerichtet hat. Neben den Raffineriearbeiter*innen traten auch Eisenbahner*innen in den Streik, ebenso Bedienstete des Gesundheitsbereichs. Sie alle kämpfen an zwei Fronten – gegen das Kapital und eine Regierung, die Lohnabhängige offenbar von den ungeheuren Profiten etwa der Energiemultis fernhalten wollen, so ein französischer Gewerkschafter laut „Junge Welt“.
Großbritannien: Schon fünf Monate dauert bereits der Arbeitskampf der britischen Eisenbahner*innen unter Führung ihrer Gewerkschaft RMT (Rail, Maritime und Transport Workers) – darunter auch mit Streiks. Grund: Seit über drei Jahren haben die Eisenbahner*innen keine Lohnerhöhung erhalten – der Reallohnverlust beträgt inzwischen 20 bis 25 Prozent.
Das Angebot einer Lohnerhöhung von acht Prozent für die nächsten zwei bis drei Jahre ist nicht ausreichend. Stattdessen finanziert die Regierung private Unternehmen, um die Streiks zu brechen. Seit den 1980er Jahren erlebt Großbritannien nun die größte Streikwelle – mehrere hunderttausend kämpfen mit Arbeitsniederlegungen. Zuletzt im Bereich der Eisenbahn am 3. November mit einem dreitägigen Streik.
Deutschland: Seit über einem halben Jahr läuft eine Kampagne der Gewerkschaft Verdi an der Uniklinik in Dresden. Beschäftigte kämpfen für einen Abschluss eines Entlastungstarifvertrages; für 24 Bereiche der Klinik sollen verbindliche Personalschlüssel erstellt werden, um die enorme Überlastung der Beschäftigten zu verringern. Für die Durchsetzung eines solchen haben Beschäftigte in der Berliner Charité mit einem 40-tägigen Streik und der Unterstützung der „Berliner Krankenbewegung“ erfolgreich gekämpft.
Generalstreiks gab es am 9. November 2022 auch in Belgien und Griechenland. All das sind Beispiele, dass es sich lohnt, für die Interessen der Beschäftigten zu kämpfen – auch bis hin zu Streiks. Das ist allemal besser als faule „sozialpartnerschaftliche Kompromisse“ auf Kosten der Beschäftigten. Koordinierte Kampfmaßnahmen der Beschäftigten im Sozialbereich, im Handel und der Eisenbahn sind auch bei uns sinnvoll.
Oliver Jonischkeit ist Bundessekretär des GLB und AK-Rat in Wien und vertritt den GLB im Weltgewerkschaftsbund