Für die Wirtschaft ein Reizwort, für die Beschäftigten ein Muss

Der Druck auf Arbeit ist immens gestiegen, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich ist Gebot der Stunde.

Für die Wirtschaft ein No-Go. Laut Wirtschaftskammer “ein volkswirtschaftliches Todesurteil”, der Industriellenvereinigung “kontraproduktiv für die Wettbewerbsfähigkeit” und dem ÖVP-Wirtschaftsbund ein “Irrweg”.  Was meinen aber die Beschäftigten? Wir haben die steirische Personalvertreterin der geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz, Michaela Bigler und Magna-Betriebsrat Klaus Larcher zur Arbeitssituation, Arbeitszeit und Freizeit gestellt. Das Interview führte Josef Stingl.

Zuerst, die Frage nach der Stimmung in eurem Betrieb. Bei der Automobilbranche hören wir ständig vom Personalabbau, im Gesundheitsbereich von einem Personalnotstand?  

Michaela: Die Stimmung zeigt sich unterschiedlich: In vielen Bereichen herrscht eine ermüdende Atmosphäre, bedingt durch eine Kumulation unterschiedlicher Belastungen: Personalmangel kontinuierliche Personalfluktuation, kurzfristiges, unentgeltliches Einspringen, chronische Unterbesetzung und der permanenten Einschulungen neuer Kolleg:innen neben der Patient:innenbetreuung. Ein hoher Arbeitsdruck, der physisch und psychisch belastet und wofür es nur mangelnde Anerkennung und Wertschätzung gibt. Außerdem ist die Patient:innendokumentation ein Zeiträuber.

Positiv hervorzuheben ist die Gehaltsanpassung 2024, welche für einen Großteil der Kolleg:innen, dank der politischen Verantwortlichen wie Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer und Christopher Fröch zustande kam. Dennoch gibt es Langzeit-Kolleg:innen die schemabedingt für eine Gehaltsaufwertung nicht berücksichtigt wurden. Das gilt auch für den Pflegebonuszuschuss/ EEZG von der Landesregierung. Sie müssen Jahr für Jahr hoffen, dass dieser genehmigt wird, während bei den anderen das bereits in den Schemabezug eingerechnet wurde. Das ist weder nachvollziehbar noch für die betroffenen Kolleg:innen befriedigend und gerecht.

Klaus: Kurz gefasst: Es herrscht aufgrund des Personalabbaus und der mageren Auftragslage große Unsicherheit. Die Stimmung in unserem Betrieb ist daher sehr angespannt. Man spürt die Angst vor dem Jobverlust, gleichzeitig aber auch den Ärger über Zeitungsartikel wie den, zu den Gewinnen von Magna.

In den Metaller:innen-KVs  findet man die sogenannte Freizeitoption und seit dem letzten KV-Abschluss auch eine Ausstiegsoption. Findest du das als sinnvolle Verkürzung der Arbeitszeit oder nur ein billiger Abtausch von verkürzter Arbeitszeit mit einem geringeren Einkommen?

Klaus: Die Freizeitoption halte ich für einen Irrweg. Es vermittelt zwar das Gefühl, eigene Frau, bzw. eigener Herr über das “Mehr an Freizeit“ zu sein. Allerdings müssen auch wir Beschäftigte diese “gewonnene Freizeit refinanzieren”, nämlich durch einen anteiligen  Lohnverzicht.

Der Gesundheitssektor gilt  als sogenannte Teilzeit-Branche. Liegt diese Arbeitszeitverkürzung ohne Gehaltsausgleich vorwiegend an einem Mehr an Freizeit-Anspruch oder ist sie Folge der extrem belastenden Arbeitsbedingungen und fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen?

Michaela: Ich denke, es ist meist den großen Anforderungen geschuldet, dass sich Kolleg:innen in die Teilzeitarbeit begeben. Teilzeit als Reaktion auf belastende Situationen. Kinderbetreuung ist natürlich ein starkes Argument, um sich in die Teilzeitarbeit zu begeben.

Seit 50 Jahren wurde – ausgenommen von wenigen Branchen  – die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden nicht mehr gekürzt.  Der ÖGB hat vor 42 Jahren erstmals die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich gefordert. Wäre es nicht endlich Zeit zur Umsetzung bzw. für eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 oder 30 Stunden?

Michaela: Wir haben noch eine 40 Stunden-Woche und ja eine Reduktion auf eine 38- Stunden-Woche, wie bei unseren Kolleg:innnen in der privaten Sozialwirtschaft, wäre sinnvoll. Eine weitere Reduktion erscheint im Gesundheitswesen wegen der zuvor genannten Themen im Moment derzeit nicht realistisch.

Klaus: Allerdings ist sie notwendig. In Zeiten enorm steigenden Leistungsdrucks und immer mehr krankmachender Arbeitsplätze (z.B. Burnout) ist es richtig und dringend angebracht, die Umsetzung einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für alle, auch seitens des ÖGB und der Gewerkschaften, ernsthaft anzugehen!

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