Freibrief für den Handel?
Oliver Jonischkeit über die Sonntagsöffnung am 4. Adventsonntag 2021
Eine „Weihnachtsüberraschung der besonderen Art“ bescherten die „Sozialpartner“ den Handelsangestellten mit einem Zusatzkollektivvertrag, der für viele von ihnen das jähe Ende eines besinnlichen Advents bedeutete. Denn damit wurde die Möglichkeit geschaffen, „ausnahmsweise“ die Geschäfte an diesem Tag (19. Dezember 2021) zu öffnen.
Als Grund dafür musste die aktuelle Pandemie mit ihren Lockdowns herhalten – wobei diese natürlich in der Regel die Umsätze des stationären Handels geschmälert haben. Den großen Handelsunternehmen und Einkaufszentren ging und geht es aber natürlich um weit mehr – immer wieder versuchen sie, die Türe zur Sonntagsöffnung im Handel zu öffnen. Daher bedeutet auch die „ausnahmsweise“ Öffnung am 4. Advent einen gefährlichen Tabubruch – wie auch die Geschichte zeigt:
Es begann 1984
Früher war der 8. Dezember natürlich für alle ein Feiertag – auch für die Handelsangestellten und die Geschäfte waren geschlossen. Bis 1984 – da fiel dieser Feiertag auf einen Samstag und das brachte den damaligen Salzburger Landeshauptmann Haslinger auf die Idee, die Öffnung der Geschäfte zu erlauben. Mit dem Argument, an diesem Tag einen Kaufkraftabfluss nach Bayern verhindern zu wollen.
Der damalige Sozialminister und GPA-Vorsitzende Alfred Dallinger untersagte dies Haslauer per Weisung, der diese jedoch ignorierte. 850 Menschen demonstrierten daraufhin in Salzburg für die Feiertagsruhe auch für die Handelsangestellten. 1995 kam es dann zu einer bundesweiten Regelung und letztlich zur dauerhaften Öffnung der Geschäfte am 8. Dezember.
Das ist ein lehrreiches Beispiel dafür, was passiert, wenn die Türe zur Sonntagsöffnung auch nur einen Spalt geöffnet wird. Die Gewerkschaft GPA ist aktiv in der „Allianz für den freien Sonntag“ und sollte sich allen Versuchen, die Türe zur Sonntagsarbeit im Handel zu öffnen, entgegenstellen.
Die Umsätze des Handels am 4. Adventsonntag werden diesen kaum gerettet haben. Zudem gibt es doch noch viele Menschen, die am Sonntag auch noch andere Interessen haben, als „shoppen zu gehen“. Daher besteht der Verdacht, dass es den großen Handelsunternehmen eben doch um einen weiteren Angriff auf die Sonntagsruhe im Handel ging.
GLB-Wien besucht Handelsangestellte
Aktivist*innen des Wiener GLB haben im Jänner hunderte Handelsangestellte in Einkaufszentren besucht, in Gesprächen haben sich viele verärgert über die Sonntagsöffnung am 19. Dezember gezeigt und ihren Unmut darüber geäußert. Was sich dabei auch herausgestellt hat: natürlich ist zwar geregelt, dass an jenem Tag nur jene arbeiten müssen, die das „freiwillig“ machen – die Realität sieht aber halt anders aus, das kennen wir auch schon vom 8. Dezember.
Einige Angestellte haben erzählt, wie sehr ihnen „empfohlen wurde, freiwillig zu arbeiten“. Das reicht als Druckmittel – da müssen Chefs gar nicht erst das Wort Kündigung in den Mund nehmen. Für die Beschäftigten in den Geschäften gab es GLB-Kalender, die sich u.a. auch für die Arbeitszeitaufzeichnung eignen, sowie ein paar Informationen über die aktuellen Forderungen des Gewerkschaftlichen Linksblocks für den Handel.
Höchste Zeit für Corona-Bonus
Dazu zählt ein Corona-Bonus von tausend Euro – sofort und steuerfrei, schließlich leisten auch die Handelsangestellten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft und sind sowohl einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt – aber auch mit der Konfrontation durch überforderte Kund*innen, die ihren Ärger und Frust immer wieder an den Beschäftigten des Handels auslassen. Impfen und Testen muss natürlich generell als Arbeitszeit gelten.
Weiters fordert der GLB wirkliche Maskenpausen. Stundenlanges Maskentragen unter Arbeitsstress ist eine außerordentliche Belastung. Daher ist es höchst an der Zeit, dass es pro Stunde zehn Minuten echte Arbeitspausen gibt – arbeitsfrei und bezahlt. Und natürlich gilt die generelle Forderung nach einer 30-Stunden-Woche mit vollem Gehalts- und Personalausgleich auch für die Handelsangestellten.
Der Sonntag muss im Handel arbeitsfrei und ein gesetzlicher Feiertag bleiben – ansonsten lösen sich auch für jene Kolleg*innen anderer Branchen, die am Sonntag arbeiten müssen, die derzeitigen Feiertagszuschläge in Luft auf…
Oliver Jonischkeit ist Bundessekretär des GLB und AK-Rat in Wien