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Sieglinde Mader-Kraus über Altersarmut
Im Jahr 2022 ist es in Österreich leider immer noch so, dass Frauen Angst davor haben, im Alter in Armut leben zu müssen. Eine Angst, die mehr als berechtigt ist, denn Altersarmut ist immer noch vor allem weiblich.
Der Equal Pension Day, also der Tag, an dem Männer so viel Pension erhalten haben, wie Frauen bis zum Jahresende erhalten werden, fiel in Österreich im Jahr 2021 auf den 1. August.
Laut Statistik Austria sind die Pensionen von Frauen um über 40 Prozent niedriger als die von Männern. Daraus folgt, dass unter Umständen Heizkosten, Strom, unerwartete Reparaturen, etc., nicht beglichen werden können. Eine Waschmaschine, ein TV-Gerät oder ein Handy nicht leistbar sind. Dinge, die zum Lebensstandard unserer Gesellschaft gehören.
Suche nach dem „Warum”
Bei Suche nach den Gründen für diesen Gender Pension Gap wird man schnell fündig. Neben der ohnehin vorhandenen Lohnschere ist eine der Hauptursachen die viele unbezahlte Arbeit, die „wie selbstverständlich” von Frauen verrichtet wird. Die bezahlte Arbeit wird stundenmäßig reduziert, um Hausarbeit, Kinderbetreuung, oder auch die Pflege von Angehörigen zu übernehmen.
Jedes Jahr, in dem nicht, oder weniger in die Pensionsversicherung eingezahlt werden kann, schlägt sich auf dem Pensionskonto negativ nieder. Dies betrifft auch die Babypausen. Und weil kleine Kinder auch nach der Karenzzeit weiter betreut werden müssen, Kinderbetreuungsplätze fehlen bzw. kostenintensiv sind, wird von den erwerbstätigen Frauen in Teilzeit gearbeitet. Die Zahl der durchschnittlichen Beitragsjahre der Alterspensionen bei Frauen liegt im Schnitt zehn Jahre unter der von Männern.
Kritik an der Pensionsreform 2003
Selbst wenn Frauen später wieder Vollzeit arbeiten, wirkt sich die Pensionsreform, die 2003 unter der schwarz-blauen Regierung eingeführt wurde, weiter negativ auf die Pension aus und führt dazu, dass Frauen oft trotz jahrelanger Berufstätigkeit nicht von ihrer Pension leben können. Wurden früher die besten 15 Jahre als Bemessungsgrundlage herangezogen, sind es jetzt alle Erwerbsjahre. Im Vergleich zum alten Pensionssystem machen die Verluste für Frauen bis zu einem Viertel der gesamten Pension aus!
Durch die langen Arbeitszeiten und die Einkommensunterschiede bleibt die traditionelle Rollenverteilung weiterhin bestehen. Um den gemeinsamen Einkommensverlust geringer zu halten, entscheiden sich Paare meist, dass der Elternteil mit dem geringeren Einkommen mehr von der unbezahlten Familienarbeit übernimmt. Noch prekärer stellt sich die Situation bei vielen Alleinerziehenden dar.
Was also tun?
Die Lösung liegt darin, eine generelle Neubewertung von Arbeit vorzunehmen und die Schwächen im Pensionssystem auszugleichen. Die Lohnschere muss geschlossen und auch unbezahlte Arbeiten in einem höheren Ausmaß der Pension angerechnet werden. Die schlecht bezahlten, aber oft systemrelevanten Berufe, meist von Frauen ausgeübt, sind durch höhere Bezahlung aufzuwerten. Dadurch ergibt sich am Ende des Berufslebens eine höhere und somit fairere Pensionszahlung.
Zeitgleich müssen die Angebote für Kinderbetreuung ausgebaut werden, um Frauen die gewünschte Erwerbstätigkeit zu ermöglichen und so den Spagat zwischen Arbeit und Familie besser meistern zu können. Es ist unerträglich, dass Frauen sich zwischen erheblichen Pensionseinbußen oder Kinderlosigkeit entscheiden müssen. Unser Ziel muss es sein, die Pensionsreform 2003 zu kippen, die erwähnten Schwächen auszugleichen und den Gender Pension Gap zu schließen.
Altersarmut in Zahlen: www.altarmweiblich.at/unit/aaw/altersarmutinzahlen
Quellen und Ausschnitte aus: Frauenreferat Salzburg, Institut Soziologie Uni Wien
Sieglinde Mader-Kraus ist Lohnbuchhalterin und Aktivistin der Gewerkschaftlichen Linken in Tirol