„Equal Pay Day“ oder „Jährlich grüßt das Murmeltier“
In der Halloween-Nacht, ironischerweise zur Geisterstunde, ist es soweit, dass der Spuk der Ungleich-Entlohnung zum Equal Pay Day führt. Frauen müssen sich also 61 Tage mit einem Null-Euro-Entgelt gegenüber dem durchschnittlichen Männer-Einkommen begnügen. Und das, 45 Jahre nach der Beschlussfassung des Gleichbehandlungsgesetzes. In dem heißt es unter anderem, dass alle Menschen gleich behandelt werden, egal, welches Geschlecht sie haben.
Die Fakten:
- Das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Männern bei Vollzeitbeschäftigung beträgt 59.258 Euro beträgt, das der Frauen nur 49.438 Euro.
- Frauen werden so um 9.820 Euro (16,6 %) weniger entlohnt als Männer.
- Frauen verlieren so in ihrem Arbeitsleben rund eine halbe Million Euro.
- Teilzeitbeschäftigungen sind dabei nicht einmal eingerechnet.
- Die Teilzeitquote der Frauen lag im Jahr 2023 bei 50,6 %, jene der Männer bei 13,4 %.
- Bei Berücksichtigung der Teilzeitarbeit läge der Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern nicht bei 16,6 Prozent, sondern gar bei 28,6 Prozent.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum Beispiel fehlen Kinderbetreuungseinrichtungen und eine gerechte Verteilung der Care-Arbeit. Aber auch das mangelnde Angebot an Vollzeit-Arbeitsplätzen und die Gesundheit belasteten Arbeitsbedingungen in sogenannten „Frauenbranchen“, wie Handel oder Pflege.
Das Ende der Missstände ist fern. Die KV-Verhandlungen bei der Sozialwirtschaft (SWÖ) und den Handelsangestellten sind ein Paradebeispiel dafür. In der Corona-Pandemie noch „systemrelevant“ hochgelobt und täglich beklatscht hat sich allerdings seitdem wenig verändert. Ihre KV-Mindestgehälter hinken um ein Viertel jener ihrer großteils männlichen Metallerkolleg:innen nach. Mit den einem geforderten 6,1-Prozent Gehaltsplus in der Pflege wird sich daran wenig ändern. Mit der 4,8 Prozentforderung im Handel schon gar nicht.
Alle AK- und Gewerkschaftsspitzen rund um den Equal Pay Day traditionellerweise auf die Missstände aufmerksam. Beispielsweise die steirische ÖGB-Vorsitzende Helga Ahrer:
Die Ursachen für die Einkommensunterschiede sind vielschichtig. Es ist ein umfassendes Maßnahmenpaket zur nachhaltigen Schließung der Lohnlücke erforderlich.
Die betroffenen Kolleginnen brauchen aber dringend auch Antworten auf das WIE und WANN. Denn seit 2019 hat sich der Zeitraum der Ungleichentlohnung von Frauen und Männern zwar von 72 auf 61 Tage verringert. Setzt sich dieses (Schnecken)tempo fort, dauert es weitere 30 Jahre bis der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ Realität wird.
Für den Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) eine unakzeptierbarer Zustand. Es ist jetzt für ÖGB und Arbeiterkammer ein guter Zeitpunkt, sich in die Koalitionsverhandlungen einzuklinken.
Es braucht progressive und mobilisierende Arbeiterkammern und Gewerkschaften und in den Betrieben starke Betriebsrät:innen, die für die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen arbeiten. Wir müssen näher zu den Menschen,
verlangt Evi Kofler, die Stellvertretende GLB-Bundesvorsitzende bereits im Juni dieses Jahres in einem Interview für die GLB-Zeitschrift “Die Arbeit”.
Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem beruht darauf, dass Frauen überwiegend unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten. Es darf einfach kein weiteres halbes Jahrhundert eines bei den Fraueneinkommen zahnlosen Gleichbehandlungsgesetz geben. Der GLB verlangt daher rasch:
- die Aufwertung der Berufe in frauen*dominierten Branchen,
- Lohntransparenz und massive Lohnerhöhungen in Branchen, in denen hauptsächlich Frauen* beschäftigt sind,
- das Schließen der Lohnlücke, durch die Pflicht die Entgelt-Praxis regelmäßig zu überprüfen und einem Prüfrecht für die Arbeiterkammer,
- einen Gleichstellung-Check für alle politischen Vorhaben, damit sie den unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Frauen* und Männern gerecht werden,
- die Umverteilung von Sorgearbeit und Stärkung von Partnerschaftlichkeit,
- flächendeckende und bedarfsgerechte Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige.
(Autor: Josef Stingl, stv. Bundesvorsitzender des GLB)