Epidemiefest machen
Michael Graber über das Pflegekonzept des ZVPÖ.
Die Corona-Epidemie hat die Schwächen des Gesundheitswesens aufgedeckt. Auch nach dem ersten Lockdown wurden von der Regierung nicht die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen. Es gab keine zusätzlichen Investitionen in Spitäler, Gesundheitsämter, in mobile und stationäre Pflege. So bleiben Spitalsbetten und Intensivstationen der Flaschenhals, insbesondere auch wegen des Mangels an Personal und Pflegekräften.
Der Zentralverband der Pensionist*innen (ZVPÖ) befasst sich mit den Versäumnissen im Gesundheitswesen und insbesondere in der Pflege schon seit langem, da es sich um existenzielle Interessen und Bedürfnisse der älteren Generationen handelt. Lange bevor die Regierung die Pflege als neue gesellschaftspolitische Herausforderung erkannte, stellte der ZVPÖ die Broschüre „Offene Wunde Pflege“ mit 14 Fachbeiträgen bei einer öffentlichen Enquete im März 2019 vor. Auf Grund der aktuellen Situation übermittelte der Verband in drei Punkten zusammengefasste dringende Forderungen an das Sozialministerium.
Ausbildungsfond für Pflegeberufe
Der ZVPÖ fordert die Einrichtung eines Ausbildungsfonds des Bundes, der die kostenfreie Aus- und Weiterbildung bzw. Umschulung von Anwärter*innen des Pflegeberufs garantiert und sowohl Stipendien und Studiengebühren finanziert. Es seien hier die relevanten Berufstypen und der vorgesehene Ausbildungsaufwand in Stunden aufgeführt: Fachsozialbetreuerin (1.200), Diplom-Sozialbetreuerin (1.800), Pflegeassistenzberuf (1.600), Pflegefachassistenz (3.200), gehobene Gesundheits- und Krankenpflege (4.600).
Das ergibt grob gerechnet folgenden Finanzaufwand: 2.000 Ausbildungsstunden á 50 Euro Ausbildungskosten (Lehr- Personal, Infrastruktur und Lernunterlagen) mal 100.000 auszubildende Menschen ergäben einen Ausbildungsaufwand von zehn Mrd. Euro für die nächsten zehn Jahre. Zum Vergleich: Die Verteidigungsministerin mahnte bei ihrem Amtsantritt im Jänner 2020 für die „Instandhaltung“ des Österreichischen Bundesheeres 16 Mrd. Euro in den kommenden fünf Jahren ein.
Epidemiefonds einrichten
Der ZVPÖ fordert einen Epidemiefonds des Bundes, der die Kosten abdeckt, die erforderlich sind, um in den Senioren- und Pflegeheimen jene Voraussetzungen zu schaffen, die es ermöglichen, eine Isolation der Bewohner*innen derart zu vermeiden, wie es im März und April war und jetzt wieder im November der Fall ist. Dazu gehören Ausgaben für die Vorhaltung von Schutzkleidung, Masken etc., räumliche Vorkehrungen und vor allem eine entsprechende Zahl von Betreuungspersonen. Über den Fonds kann auch ein einheitlicher Standard in ganz Österreich durchgesetzt werden.
Das Loch schließen
Das klaffende Loch in der Gesundheitskasse von über einer halben Milliarde Euro, was die Gefahr von Leistungseinschränkungen, Selbstbehalten oder sogar von Versicherungsbeitragserhöhungen hervorruft, ist durch die Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung abzudecken. Einkommen über 5.370 Euro (2020) leisten keinen Beitrag zur öffentlichen Krankenversicherung. Berechnungen ergeben, dass durch diese Maßnahme bis zu eineinhalb Milliarden Euro jährlich zusätzlich in die Gesundheitskasse fließen könnten. Es ist nicht einzusehen, dass das Corona-bedingte und durch die Zusammenlegung der Krankenkassen entstandene Loch durch Massensteuern gefüllt werden soll.
Michael Graber ist Bundesobmann des ZVPÖ