Entschlossen für faire soziale Absicherung!
In der 188. Vollversammlung der Arbeiterkammer Tirol legte die Gewerkschaftliche Linke (GL) den Fokus auf soziale Gerechtigkeit und Existenzsicherung. Kammerrätin Evi Kofler verwies auf die Belastungen, die vor allem Frauen in der Arbeitswelt ausgesetzt sind. Symbolisch verdeutlicht das der Equal Pension Day am 29. Juli und der Equal Pay Day am 21. Oktober:
„Frauen ab diesem Zeitpunkt bis Jahresende ,gratis´. Diese Lohnlücke zeigt, dass bisherige Maßnahmen zur Gleichstellung zu langsam greifen. Es reicht nicht, über ,wiederkehrende Tage´ wie den Equal Pay Day zu sprechen, sondern entschlossene Maßnahmen und eine faire Anpassung der sozialen Absicherung.”
Noch immer übernehmen Frauen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit – sei es im Haushalt, bei der Kinderbetreuung oder der Pflege Angehöriger. Dies zwingt viele in prekäre Arbeitsverhältnisse und Teilzeit. Das erfordert flächendeckende, kostenlose Kinderbetreuung und Rahmenbedingungen, die berufliche Entwicklung ohne Benachteiligung ermöglichen. Diese gesellschaftlich wichtige Arbeit muss gerecht verteilt und finanziell gewürdigt werden.
Arbeitszeit runter, Arbeitslosengeld rauf
Nächstes Jahr ist es 50 Jahre her, dass die 40-Stunden-Woche eingeführt wurde. Arbeitsbelastung und Anforderungen sind stark gestiegen, besonders in Pflege-, Bildungs- und Dienstleistungsberufen, in denen Frauen häufig tätig sind. Das fordert, dass die Regierung den Dialog zur Arbeitszeit mit dem Ziel einer Reduktion der Normalarbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich aufnimmt. Der GL-Antrag wurde mehrheitlich (GL, FSG und Grüne Arbeitnehmer:innen waren für eine Zustimmung) dem Ausschuss für Arbeitsrecht zugewiesen.
Die letzten Jahre haben gezeigt, wie unsicher der Arbeitsplatz für viele geworden ist, insbesondere in Leiharbeit oder befristeten Anstellungen. Um ein Leben in Würde zu ermöglichen, muss das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe armutsfest gestaltet werden. Dieser GL-Antrag wurde einstimmig angenommen.
Bei den Schulkostenbeihilfen, Kindergeld Plus und ähnlichen Förderungen verlangt die Gewerkschaftliche Linke bessere Zugangsbedingungen, um allen einkommensschwachen Familien die dringend benötigten Leistungen zu sichern. Dieser Antrag wurde dem Ausschuss für Bildung und Soziales zugewiesen.
Evi Kofler erinnerte auch an die bevorstehende Weihnachtszeit und kritisierte, dass das Weihnachtsgeld für immer mehr Menschen fürs Ausgleichen des Konto-Minus oder dringend notwendige Anschaffungen verwendet werden muss. Diese bedenkliche Entwicklung erfordert gesellschaftliches Umdenken und Engagement.
Die Anträge der Gewerkschaftlichen Linken im Wortlaut:
Antrag 1: Arbeitslosengeld: Anheben, um ein Leben in Würde zu gewährleisten!
Die massive Teuerungswelle der letzten zwei Jahre, insbesondere die besonders massiven Preisanstiege bei den Mieten, Betriebskosten und Energiekosten sowie beim Lebensunterhalt, stellen bereits für viele Lohn- und Gehaltsbezieher:innen eine große finanzielle Belastung dar. Nicht planbare, aber notwendige Ausgaben, wie beispielsweise für eine kaputte Waschmaschine, stellen viele Menschen vor ein unlösbares Problem.
Bei dem Verlust des Arbeitsplatzes wird im Zuge der Arbeitslosenversicherung ein Arbeitslosengeld mit einer maximal 55-prozentigen Nettoersatzrate des Erwerbs-Arbeits-Einkommens ausgezahlt. In Wahrheit ist die Ersatzrate oft noch geringer, weil als Berechnungsgrundlage das Vorjahres-Entgelt, also eines mit einer fehlenden KV-Lohnerhöhung herangezogen wird.
Die „Versicherungsleistung Arbeitslosengeld”, die eigentlich geschaffen wurde, um das Risiko einer nicht ausreichenden Existenzsicherung im Fall eines Arbeitsplatzverlustes zu minimieren, ist für viele weder existenzsichernd noch ermöglicht sie eine kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe, also ein Leben in Würde.
Die 188. Vollversammlung der AK Tirol fordert die Koalitionsverhandler:innen und in Folge die kommende Österreichische Bundesregierung auf, die Nettoersatzrate für den Arbeitslosenbezug und in weiterer Folge für die Notstandshilfe so zu erhöhen, dass sie zukünftig als armutsfest gilt. Zusätzlich muss eine automatische jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes sowie der Notstandshilfe im künftigen Regierungsprogramm verankert werden.
Antrag 2: 50 Jahre 40-Stunden-Woche: Her mit der Arbeitszeitverkürzung!
2025 jährt sich die Einführung der gesetzlichen 40-Stunden-Woche zum 50. Mal. In den vergangenen fünf Jahrzehnten wurden merkliche Produktivitätszuwächse erreicht, ohne dass es zu einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich gekommen wäre. Im Gegenteil – trotz vielfach gestiegener Arbeitsbelastung – wird wieder über längere Arbeitszeiten diskutiert, bzw. mit der Einführung des 12-Stunden-Tages wurde die Arbeitszeit 2018 bereits verlängert.
Bei der durchschnittlich wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeit Beschäftigten liegt Österreich im EU-Spitzenfeld. So lag im letzten Jahr die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im letzten Jahr mit mehr als einer Stunde über dem EU-Durchschnitt bei 41,7 Wochenstunden.
Angesichts von Löhnen und Gehältern, die den massiv steigenden Preisen hinterherhinken, einer über die letzten Jahrzehnte deutlich gestiegenen Produktivität, einer steigenden Zahl an Arbeitslosen und einer Arbeitsbelastung, die etwa in der Pflege dazu führt, dass Beschäftigte diesen Bereich verlassen, braucht es dringend eine Debatte über eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung.
Die 188. Vollversammlung der AK Tirol fordert die kommende Österreichische Bundesregierung auf, unter Einbindung der Interessenvertretungen und aller Parlamentsparteien einen Dialog zu starten, der nach fünf Jahrzehnten den Stillstand bei der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung in Gang bringt und in der Folge in einer Reduktion der gesetzlichen Normalarbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich mündet.
Antrag 3: Förderungen und Zuschüsse für ALLE einkommensarmen Familien und Alleinerzieher:innen
Ziel der Schulkostenbeihilfe, dem Kindergeld Plus, dem Kinderbetreuungszuschuss, der Förderung zur Teilnahme an Schulveranstaltungen im Inland und ähnliche ist, einkommensarme Familien bzw. Alleinerzieher:innen durch einen Beitrag zu den Kosten, die im Zusammenhang mit dem Betreuungsaufwand und/oder dem Schulbesuch eines Kindes im Pflichtschulalter entstehen, finanziell zu entlasten.
Bei der Berechnung des Anspruchs wird allerdings die Einkommenssituation bzw. die Haushaltsgröße des Vorjahres, d. h. des Jahres vor Antragstellung, herangezogen. Familien und Alleinerzieher:innen, die im Vorjahr, bedingt durch ihr Haushaltseinkommen und die Haushaltsgröße über der Bemessungsgrundlage lagen, jedoch im laufenden Jahr aufgrund verschiedenster Ereignisse (Arbeitslosigkeit, Krankheitsfall, Trennung oder Scheidung) Einkommenseinbußen hinnehmen mussten und nun unter die Bemessungsgrundlage fallen würden, haben derzeit dennoch keinen Anspruch auf die oben genannten Zuschüsse, obwohl sie diese gerade dann dringend nötig hätten.
Die 188. Vollversammlung der AK Tirol fordert das Land Tirol auf, die Zugangsbestimmungen zu der Schulkostenbeihilfe, dem Kindergeld Plus, dem Kinderbetreuungszuschuss, der Förderung zur Teilnahme an Schulveranstaltungen im Inland und ähnliche dahingehend zu verändern, dass ALLE einkommensarmen Antragsteller:innen anspruchsberechtigt sind.
Foto: AK-Tirol