Eins-zwei-drei: Schon vorbei?
Josef Stingl über das 1-2-3-Ticket
Die ÖVP bestimmt: Beispielsweise vor dem Jahresende 2020, als die NEOS forderten, dass aus Griechenland Flüchtlinge evakuiert werden. Und die Grünen hoben in Koalitionstreue dagegen brav ihr Händchen mit den Schwarzen.
Außer Corona gab es so gut wie kein Thema, wo die Grünen von Kurz & Co nicht einmal vorgeführt, einmal überrumpelt wurden. Ihre Erklärung zu ihrer Leidensfähigkeit bei der schwarzen Dauerschmach ein Bollwerk gegen die FPÖ und Vorreiter in der Klimapolitik zu sein. Dafür wird immer wieder das 1-2-3-Ticket als Feigenblatt hervorgeholt.
Worum geht’s bei diesem „1-2-3-Ticket“. Es soll die Nutzung des öffentlichen Verkehrs in Österreich günstiger und einfacher machen und so den Umstieg vom Auto auf die Öffis attraktivieren. Zum Preis von jährlich 365 Euro, also einem Euro pro Tag, dürfen dann alle öffentlichen Verkehrsmittel in einem Bundesland genutzt werden. Für 730 Euro, als zwei Euro pro Tag gibt es gleiches für zwei Bundesländer und für 1.095 Euro, also drei Euro pro Tag gleich für´s ganze Bundesgebiet.
Erst das Dach, dann das Fundament
Klingt verführerisch, aber ist es das auch? Grundsätzlich ja, nur der Hund liegt in den Details begraben. Um das Ziel des vermehrten Öffi-Umstiegs zu erreichen beginnt Schwarz-Grün nicht etwa beim günstigen Bundesländerticket, sondern beim „Dreier-Ticket“. Eins und zwei sollen dann erst bis 2024 folgen. Würde jemand der ein Haus baut ernsthaft beim Dach beginnen und erst Jahre danach das Fundament setzen?
Dieser „auf den Kopf gestellte Hausbau“ liegt wohl daran, weil dadurch die geringsten Widerstände der Landeshauptleute erwartet und die Kosten durch einen geringen Nutzungsbedarf relativ geringgehalten werden können. Denn, wie viele werden eine bundesweite Netzkarte auch wirklich beziehen? Meist reist man nicht ständig durch ganz Österreich, und die geschäftlichen Vielreiser*innen nutzen immer noch lieber Auto oder Flieger, um von A nach B zu kommen. Der Lenkungseffekt wird also beim ersten Umsetzungsschritt eher gering ausfallen.
Aber selbst beim Dreier-Modell behindert der Föderalismus. In Österreich geht nichts ohne Zustimmung der Landeshauptleute. Und die zieren sich, der geplante „Dreier-Ticket- Start“ im heurigen Sommer gehört bereits der Vergangenheit an: „Man hoffe, den „Klimameilenstein“ noch heuer auf Reihe zu bekommen. Nur Vorarlberg, Tirol und Salzburg haben dem 3er-Ticket „mit Begeisterung“ zugesagt. Oberösterreichs Landeshauptmann war „schlauer“. Er ließ sich seine Zustimmung mit einem 250-Millionen-Euro-Bundesgeschenk der grünen Infrastrukturministerin Leonore Gewessler zum Bau der Linzer Stadtbahn versüßen.
Fehlen immer noch die Bundesländer Wien, Niederösterreich, Steiermark, Burgenland und Kärnten. Was wird deren Zustimmung von uns Steuerzahler*innen abverlangen? Denn eines ist sicher, auch sie werden sich von Gewessler ihre Zustimmung teuer abkaufen lassen.
Pendlers Freud, Pendlers Leid?
Für zahlreiche Pendler*innen bringt das neue „Bundesland-Ticket“ sicherlich einiges an Preisreduzierung für ihre tägliche Fahrt von und zur Arbeitsstelle. Allerdings, bei weitem nicht für alle, denn bei vielen befinden sich Wohnort und Arbeitsplatz eben in zwei unterschiedlichen Bundesländern. Ihnen helfen derzeit Österreichs Verkehrsverbünde, die bundesländerübergreifend organisiert sind. So gehören etwa zum Verkehrsverbund Wien, NÖ und Burgenland (VOR) eben diese drei Bundesländer, als auch noch Randzonen in Oberösterreich.
Müssen nach Einführung des 1-2-3-Tickets Pendler*innen von St. Valentin (NÖ) nach Enns (OÖ) oder von Oberdrauburg (K) nach Lienz (Osttirol) auf den „Preiserlass“ verzichten oder für die wenigen Kilometer gar auf das 2er-Ticket um 730 Euro pro Jahr zurückgreifen? Noch schlimmer ist die Situation im Burgenland oder in Teilen der Steiermark, wo zahlreiche Frauen und Männer zum Arbeiten nach Wien auspendeln müssen. Sie queren dann auch noch Niederösterreich und benötigen daher das Dreier-Ticket um 1.095 Euro.
Offene Fragen, die von der Regierung entweder gar nicht angedacht oder vielleicht bewusst vergessen werden. Antworten darauf fehlen sowohl von schwarz-türkiser, als auch von grüner Seite. Oder aber, Kurzens Schwarze und Koglers Grüne glauben ohnehin nicht ernsthaft an die Umsetzung des kompletten 1-2-3-Ticket?
Josef Stingl ist stellvertretender Bundesvorsitzender des GLB