Einfluss der Parteien zurückdrängen
Alisa Vengerova zur Debatte über den öffentlich-rechtlichen ORF
Mit der Ankündigung einer Haushaltsabgabe statt der bisherigen GIS-Gebühr kam die Debatte um den ORF kürzlich wieder ins Rollen. Warum wir einen öffentlichen Rundfunk brauchen und warum wir genau deshalb mehr über die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutieren müssen.
Rein unabhängige Medien existieren nicht – jedes Medium steht in jemandes Dienst. Die einen Medien werden vom Staat gesteuert, was gerade in autoritären Systemen oft zu einseitiger Berichterstattung oder Zensur führt, andere finanzieren sich durch Werbeeinnahmen und machen sich damit in ihrer Berichterstattung von der Gunst von Superreichen ab- hängig.
Wir leisten uns als Gesellschaft ein Medium
Dann gibt es schließlich die Öffentlich-Rechtlichen, sie sollen in ihrer Berichterstattung vom Staat und der Wirtschaft unabhängig sein. Der ORF hat in Österreich für gut recherchierte Informationen und ein vielfältiges Angebot zu sorgen. Dieses soll die Interessen der Österreicher*innen abdecken und auch regionales Programm enthalten, auch wenn dieses nicht immer die größten Reichweiten erhält.
Die jüngsten Entwicklungen mit der Umstellung der bisherigen GIS-Gebühren auf die Haushaltsabgabe haben erneut Diskussionen um den Auftrag und die Bedeutung des ORF ausgelöst. Die Regierung fordert massive Einsparungen im Wert von 300 Millionen Euro und andere wiederum kritisieren die massiven Kürzungen im Kultur- und Sportbereich.
Wir müssen uns fragen: Wie soll ein öffentlich-rechtliches Medium, das wir uns als Gesellschaft leisten, aufgestellt sein? Und wie muss sich der ORF verändern, damit sichergestellt ist, dass er wirklich in unserem Dienst steht?
Gar nicht so unabhängig
Per Definition ist der ORF zwar von der Politik unabhängig, in Wahrheit können die Parlamentsparteien es nicht lassen, im Hintergrund mitzumischen. Der ehemalige ORF-Generaldirektor Gerd Bacher sagte einst, es sei den Parteien nicht wichtig, wie es dem ORF gehe, sondern nur, wie es ihnen im ORF gehe. Die Besetzung des Stiftungsrates, des höchsten Gremiums des ORF, wird zu rund 70 Prozent von der Politik bestimmt. Den meisten Einfluss haben aktuelle Regierungsparteien, aktuell haben etwa ÖVP-nahe Stiftungsräte die alleinige Mehrheit für alle wesentlichen Entscheidungen. So wurde auch Roland Weißmann neuer Generaldirektor des ORF, dem beste Kontakte zur ÖVP- Riege nachgesagt werden.
Dieser Einfluss der Parteien ist nicht nur illegal, er führt auch zu Unmut bei den Zuseher*innen. Schließlich bringt uns ein unabhängig finanzierter ORF wenig, wenn sein höchstes Gremium nur so von Regierungsvertreter*innen trieft. Expert*innen fordern seit langem eine Reform des Stiftungsrates.
Der Einfluss der Politik sollte zurückgedrängt und gleichzeitig die Gesellschaft stärker eingebunden werden. Das heißt nicht, dass Politiker* innen komplett aus dem Stiftungsrat ausgeschlossen werden – sie sollten bloß keine Mehrheiten und damit keine alleinige Entscheidungsmacht haben.
Was soll der ORF leisten?
Im Zusammenhang mit den Einsparungen steht jetzt die Abschaltung von ORF Sport+ in der Kritik, die Generaldirektor Roland Weißmann angekündigt hat. Es handelt sich dabei um den einzigen Sender, der die Sportvielfalt in Österreich abdeckt, etwa Frauenfußball wurde lange Zeit nur auf ORF Sport+ ausgestrahlt. Diese Entscheidung wurde auf politischen Befehl hin getroffen, auf die Forderung hin nach Einsparungen durch ÖVP-Ministerin Susanne Raab. Eine offene und konstruktive Diskussion mit Sportvereinen und Zuseher* innen gab es dazu nicht.
Angesichts dieser Entwicklungen ist der Frust über die GIS-Gebühren durchaus verständlich. Schließlich müssen wir zwar alle den ORF finanzieren, haben aber absolut keine Kontrolle über die Inhalte und werden von den Politiker*innen an der Nase herumgeführt.
Wie soll es mit dem ORF weitergehen?
Bei allen Problemen, die der ORF an den Tag legt, bleibt es zentral, dass wir uns als Gesellschaft ein öffentlich-rechtliches Medium leisten. Dafür muss aber auch der ORF seinen Auftrag ernst nehmen und sich deutlich stärker an seinem Publikum orientieren, statt sich von den Parteien als Marionette ausspielen zu lassen.
Alisa Vengerova ist Bundes- sprecherin der Jungen Linken und betreut den Social Media-Auftritt des GLB