Ein perfider Plan

Wie der Bundeskanzler Karl Nehammer, seine ÖVP und deren Zuhälter:innen aus Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und militärisch-industriellen Komplex sich die nähere Zukunft Österreichs wünschen, das hat der Kanzler in einem so genannten Österreich-Plan zusammengefasst.

Untergetitelt ist das Pamphlet mit den Begriffen Leistung, Sicherheit und Familie. Übersetzt bedeutet dies Standort, Rüstung, Volksgemeinschaft. Für die Lohnabhängigen und Prekarisierten hierzulande ist dieser Plan eine einzige Drohgebärde.

Der völkisch-volkskulturelle Drall des Papiers forciert einen rassistischen und asozialen Mob, der angetrieben wird vom Schlagwort, man müsse den Zuzug ins Sozialsystem verhindern. Und dieses Schlagwort findet sich in fast jedem Absatz. Mit Zuzug ins Sozialsystem sind alle jene gemeint, die irgendwelche Leistungen daraus beziehen, vorzugsweise Flüchtlinge und andere Arme.

Das Nehammer-Papier ist signifikant für das derzeitige multiple Krisengeschehen der kapitalistischen Verwertung. Es zeigt, wie weit die Radikalisierung und Barbarisierung der bürgerlichen Mitte bereits fortgeschritten ist. Was bis vor kurzer Zeit der extremen Rechte vorbehalten war, etwa der Plan zur Remigration, also Ermordung tausender nicht der Volksgemeinschaft zugehöriger Menschen, wie kürzlich von den Identitären lanciert, liest sich bei der ÖVP folgendermaßen: Konsequente Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Transfers in Drittländer, Beschlagnahmung von Wertsachen und so weiter. Der Stammtisch-Nazi weiß, was damit gemeint ist, er wird tun, was er glaubt, dass zu tun sei.

Um die Empörung desselben gut am Köcheln zu halten, wird quasi als Gutzi für den Stammtisch die strengere Bestrafung von Klima-Aktivist:innen wie auch die sofortige Abschaffung des Gender-Missbrauchs – was immer das heißen mag – gefordert. Das alles habe unter einer österreichischen Leitkultur stattzufinden, welche gesetzlich verankern soll, dass Sitten, Gebräuche und Traditionen, welche der österreichischen Identität entsprechen, auch durchgesetzt werden können.

Bezeichnend ist, dass ein Nehammer-Parteifreund und früherer CSU- Chef angemerkt hatte, dass der Begriff Leitkultur tunlichst nicht zu verwenden sei, weil er zu sehr mit Nazi-Ideologie kontaminiert sei, man möge doch stattdessen Heimat sagen. Hierzulande läuft der Diskurs anders, von der Heimattümelei direkt in die Leitkultur.

Wiewohl schon die Heimat-Schwelgerei nicht nur irgendwelche identitäre Bedürfnisse spiegelt, es ist, wie Thorsten Mense anmerkte, sie ist das „Grundrauschen der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung.“ Die Diskursverschiebung nach rechts ist evident, das vorliegende Papier verleiht ihr einen weiteren Schub. Zu einer der wesentlichen Erscheinungsformen der kapitalistischen Dauerkrise, dem bevorstehenden Klimakollaps, fallen der ÖVP nur wenige Sätze ein, die meisten beinhalten zusätzliche Förderungen für Unternehmen.

Einer davon fordert die Aufhebung des Verbots der Kohlendioxid Einspeicherung, was meint, dann könne man munter weiter tun mit dem Verbrennen fossiler Brennstoffe. Dass diese Strategie nur eine Verschleppung der Krise und des Kollaps bedeutet, dass ahnen inzwischen schon die stursten Betonköpfe.

Die gegenwärtigen Krisen sind umfassend und isoliert ohnehin nicht zu bewältigen: Nicht die soziale Krise in den hoch entwickelten kapitalistischen Ländern, nicht die Finanzkrise nicht die Hungerkrisen, nicht die Flüchtlingskrise, nicht die ökologische Krise und die Klimakrise, nicht die gegenwärtigen Kriege und die kommenden militärischen Konflikte, nicht Inflation und gleichzeitige Stagnation.

Die reaktionären, rechtsextremen Antworten auf das Geschehen erleben einen ungeheuerlichen Aufschwung. Sei es international, etwa in Italien oder Argentinien, Russland oder den USA (nicht nur bei einem neuerlichen Wahlsieg von Trump), sei es hierzulande mit einer überwältigenden Hegemonie rechtsextremer bis faschistischer Konzepte oder auch der ständig wiederkehrenden Regierungsbeteiligung der extremen Rechten.

Der Trick ist immer wieder der gleiche: In jedem Krisenschub wird aus den Opfern der Krise der schuldige daran gebastelt, so auch im vorliegenden Plan. Die Arbeitslosen und jene die auf Sozialhilfe angewiesen sind daran schuld, dass die Unterstützung immer geringer wird. Die Klima Kids sind schuld, dass die Wirtschaft nicht brummt, die Flüchtlinge sowieso an allem, was nicht so läuft.

Nehammer macht den Lohnabhängigen, die sich laut Österreich Plan als Leitungsträger fühlen dürfen, ein Angebot, das diese vermutlich annehmen werden. Sie dürfen auf die imaginierten Schuldigen an den Krisen wie Flüchtlinge und Arme hindreschen, dafür schlucken sie jede noch so grauslige Krot, welche die virulente Politik für sie bereithält. Das ist Nehammers Plan.

Franz Fend ist Sozialbetreuer und Betriebsrat im Sozialverein B37 in Linz

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