Ein Austro-Oligarch

Jüngst wetterte Stefan Pierer, Präsident der Industriellenvereinigung in Oberösterreich, gegen den „Irrglauben an den leistungslosen Wohlstand“ (Kurier OÖ, 2.6.2024). Er meinte damit allerdings nicht etwa Aktionär:innen, die ganz leistungslos satte Dividenden kassieren oder leistungslose Erben von Milliardenvermögen.

Sein Wehklagen galt dem zu hohen Lohnniveau in Österreich „um 20 Prozent teurer als in unseren Nachbarländern Italien und Spanien (?)“ und damit allen, die nicht freudestrahlend zu Niedriglöhnen hackeln wollen. Schon 2022 sah er die 32-Stundenwoche als „Beleidigung für meine Mitarbeiter“ und er forderte einen „Bonus für Vollzeit“. Was hindert ihn daran?

Weiters konstatierte Pierer „Die Qualität chinesischer Produkte hat aufgeholt“ um schmerzvoll einzugestehen, dass die Globalisierung keine Einbahnstraße ist. Und wetterte „Das Problem ist … dass Brüssel in den vergangenen 20 Jahren von NGOs unterwandert worden ist“ (Kurier OÖ, 18.12.2022). Wohl um davon abzulenken, dass der Löwenanteil der 25.000 Lobbyist:innen in Brüssel mit einem Jahresbudget von 1,5 Mrd. Euro (Krone bunt, 18.12.2022) nicht NGOs, sondern Agenturen des Kapitals sind, die für Profitmaximierung Druck machen.

Pierer ist als Großspender für die ÖVP bekanntgeworden. Satte 436.563 Euro spendete er 2017 für die Kurz- ÖVP. Bevor sie im Mai 2019 am Ibiza- Skandal scheiterte, setzte die schwarz-blaue Regierung eine Arbeitszeitreform mit 12-Stundentag und 60-Stundenwoche durch. Das stand bekanntlich auf dem Wunschzettel der Industrie. Als „Ausgleich“ für seine Parteispende erhielt Pierers als „Museum“ getarnte Motorradausstellung „Motohall“ 6,74 Mio. Euro „Kulturförderung“ vom Land OÖ und der SPÖ-geführten Stadt Mattighofen.

Corona zum Trotz erzielte 2020 die in Mattighofen ansässige KTM – Kern- stück von Pierer Mobility – 102 Millionen Euro Gewinn. Als Draufgabe kassierte Pierer 45,5 Millionen Euro Staatshilfe (kontrast.at, 2.9.2021). 2023 lief es noch besser: „Pierer Mobility fuhr ein Rekordjahr ein“ (Presse, 11.1.2024), der Umsatz stieg um neun Prozent auf 2,67 Mrd. Euro – und analog wohl auch der Profit.

Obwohl ganz auf Standortpolitik eingeschworen entlarvte sich Pierer 2023 ganz unpatriotisch. Weil er die Lohnerhöhung der Metallbranche als unerträglich hoch sah, baute KTM gleich 300 Stellen ab und verlagerte Teile der Motorrad-Produktion nach Indien und China. Natürlich um „den oberösterreichischen Heimatstandort abzusichern, zu erhalten und gewinnfähig zu machen“ (Presse, 7.12.2023). Wohl aber, weil Pierer die Gewinnmargen von zehn Prozent nicht genug sind (Kurier OÖ, 17.12.2023).

Wohl als patriotischen Ausgleich zelebrierte der Austro-Oligarch Pierer jüngst den Einstieg des tschechischen Tatra-Konzerns beim Feuerwehrausrüster Rosenbauer: Gemeinsam mit dem Red Bull-Erben Mark Mateschitz und Raiffeisen kaufte er 3,4 Millionen Rosenbauer-Aktien und übernahm 33 Prozent des durch übermäßigen Dividendenentzug finanziell angeschlagenen Leondinger Familienunternehmens (OÖN, 21.6.2024). So verdeut- licht sich das Wechselspiel von Kapital und Politik.

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