Ein abgestürzter Präsident
Leo Furtlehner über die KTM-Pleite
Aus die Maus – gestern noch gefeierter Industrieboss, lautstarker Industriellen-Landespräsident und (2017 mit 436.563 Euro) ÖVP-Sponsor ist Stefan Pierer in wenigen Monaten total abgestürzt, sein Paradeunternehmen KTM mit 2,2 Milliarden Euro Verbindlichkeiten in Konkurs. Nach dem Verzicht auf den Präsidentenposten musste er jetzt auch den Vorstandsvorsitz abgeben.
Der Umsatz des Mutterkonzerns Pierer Mobility brach von 2023 auf 2024 von 2,7 auf 1,9 Milliarden Euro ein. Der Motorradabsatz bei KTM ging um 21 Prozent zurück. 300 Millionen Euro Verlust wird erwartet. Konzernweit wurden bereits über 1.800 Beschäftigte abgebaut, erst im März soll die Produktion – nach Umstellung auf Ein-Schicht-Betrieb und teilweise Verlagerung nach Fernost – wieder anlaufen. Betriebsrat Friedrich Lackerbauer hofft optimistisch, dass kein weiterer Personalabbau folgt (OÖN, 29.1.2025).
Auf Gedeih und Verderben
Bei drei KTM-Gesellschaften meldeten 6.000 Gläubiger Forderungen an: 1,3 Milliarden Euro Schulden von KTM bei 180 Banken, ausstehende Löhne und Gehälter und offene Rechnungen von Lieferfirmen. Angeboten wird eine Quote von 30 Prozent. Für den Bezirk Braunau ist die KTM-Pleite ein Katastrophe, es geht um die Zukunft der ohnehin bereits auf unter 2.000 geschrumpften Arbeitsplätze. Die Kleinstadt Mattighofen ist auf „Gedeih und Verderben“ mit KTM verbunden.
Für Löhne und Gehälter musste schon der Insolvenzentgeltfonds – den Pierer mit der Forderung nach Senkung der Lohnnebenkosten abschaffen wollte – einspringen. Raiffeisen Landesbank Oberösterreich und Oberbank drohen in den Strudel gezogen zu werden, weil sie im Investmentrausch allzu lange von der realen Unternehmensentwicklung weggeschaut haben.
Pierer reduziert sein Versagen auf die Personalkosten. Die Auszahlung von 17,1 Millionen Euro Dividende für das Geschäftsjahr wird hingegen als selbstverständlich empfunden. Sieben Millionen davon kassierte allein der Aktionär Pierer. Von 2021 bis 2023 wurden in Summe satte 128 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet.
Geldverschiebung zu Rosenbauer
Von besonderer Brisanz ist die Causa KTM durch den Einstieg von Pierer – 2024 mit 1,25 Milliarden Euro Vermögen auf Platz 42 der TOP100 der Reichsten Österreichs – beim Feuerwehrfahrzeugbauer Rosenbauer in Leonding. Mit dabei Red Bull-Erbe Mark Mateschitz – mit 38 Milliarden Euro Vermögen (Forbes, November 2023) zweitreichster Österreicher – und die Raiffeisen Landesbank.
Mit Verweis auf die „unerträgliche“ Lohnerhöhung verlagerte Pierer Teile der Motorrad-Produktion von KTM aus Kostengründen nach Indien und China – um „den oberösterreichischen Heimatstandort abzusichern, zu erhalten und gewinnfähig zu machen“. Und weil ihm die selbst eingestandenen Gewinnmargen von zehn Prozent nicht genug waren, wurde die „strategische Partnerschaft“ mit Bajaj Auto (Indien) und CFMOTO (China) vertieft.
Pierer als „Globalpatriot“
KTM sei „global aufgestellt und habe die Möglichkeit, durch Verlagerung in andere Länder Kosten einzusparen“ zeigte sich Pierer als wahrer Globalpatriot und verkündete „Ich habe das Glück, dass wir mit unseren Standorten in China und Indien die Heimatburg verteidigen können.“ Das erinnert an den Sager des früheren deutschen Kriegsministers Peter Struck zum letztlich desaströsen Afghanistan-Einsatz der deutschen Bundeswehr „Deutschlands Freiheit wird am Hindukusch verteidigt“.
Statt dem offensiven Firmenspruch „Mit Vollgas in die Zukunft“ gilt für KTM letztlich die Erkenntnis „Aus der Kurve geflogen“. Alles in allem liefert der Fall KTM den Beweis, dass der „freie Markt“ letztlich immer zugunsten der Eigentümer der Produktionsmittel und zu Lasten jener, welche den Mehrwert als Quelle des Reichtums schaffen, also der Lohnabhängigen funktioniert.