Druck für Veränderung aufbauen
Wolfgang Schwab zum Thema Pflege
Es ist Anfang 2022, die groß angekündigte Pflegereform, die unter der Regierung Kurz I geplant war, lässt immer noch auf sich warten. Die Probleme sind seit Jahren bekannt, alle Trägerorganisationen haben mittlerweile ihre Wortwahl deutlicher gemacht.
Pflegekräfte gehen auf die Straße, viele Kolleg*innen verlassen den Beruf, nach wie vor sind ganze Stationen dauerhaft wegen Personalmangel gesperrt. Menschen, die Hauskrankenpflege benötigen, warten oft viele Wochen allein auf das Erstgespräch, obwohl schon längst professionelle Hilfe notwendig ist.
Viele Menschen bekommen nur mehr ein Mal pro Woche Hilfe beim Duschen statt zwei oder dreimal, weil das Personal fehlt. Sozialarbeiter*innen in den Kliniken können Patient* innen oft wochenlang nicht entlassen, weil keiner weiß, wo sie unterkommen sollen. Die Wartelisten in den Pflegeheimen sind lang, oft wird die Pflege behelfsmäßig im Familienverbund organisiert, weil es gar keine anderen Möglichkeiten gibt.
Trägerorganisationen, Pflegekräfte, pflegende Angehörige, Sozialarbeiter*innen, alle die im System arbeiten sind sich einig: es sind rasch umfassende Reformen notwendig. Je länger gewartet wird, desto teuer wird es werden. Es geht um Ausbildung, Bezahlung und Arbeitsbedingungen.
Pflege attraktiv machen
Es geht darum neue Menschen in die Pflegeberufe zu bringen und darum diejenigen zu halten, die in der Praxis sind. Von denen denkt fast die Hälfte regelmäßig an den Ausstieg. Es geht darum die Ausgaben für die Pflege österreichweit zu verdoppeln oder zu verdreifachen, um den Anteil des BIP zu erreichen, den die erfolgreichen Schweden oder die Niederländer dafür ausgeben.
Der Versuch das Problem kolonialistisch zu lösen und per Import Menschen aus Kolumbien in die Pflegeheime im Mürztal zu bringen ist vorerst gescheitert: Die dafür zuständige Agentur hat Insolvenz angemeldet. Auch der Versuch das Problem kapitalistisch zu lösen, scheint auch nicht gut zu funktionieren: Nach einem französischen Aufdeckerbuch hat die Aktie von Orpea, zu der auch die in der Steiermark sehr aktive SeneCura- Gruppe gehört, innerhalb kürzester Zeit 60 Prozent an Wert verloren. Die Hoffnung das Problem parteipolitisch gelöst zu bekommen ist nach den letzten fünf Regierungen der letzten fünf Jahre auch nur mehr sehr gering.
Solidarische Lösung notwendig
Vernünftig wäre es, das Problem solidarisch zu lösen. Der Ursprung unserer heutigen Krankenkassen liegt in den „Bruderladen“ des Bergbaus. Dort wurde ein kleiner Teil des Verdienstes für die arbeitsunfähigen oder in Not geratenen Kumpel eingezahlt. Darauf müssen wir uns wieder besinnen. Wir müssen uns als solidarische Gesellschaft für diejenigen einsetzen, die Pflege brauchen.
Das Geld ist da und Österreich ist ein reiches Land. Es ist nur eine Frage der Verteilung der vorhandenen Mittel. Aber leider gerade an der gerechten Verteilung des Reichtums scheitern wir seit Beginn der Pandemie noch mehr als schon zuvor.
Der Pflegenotstand ist schon da
Der Pflegenotstand hat die Steiermark längst erreicht. Nicht in fünf bis zehn Jahren werden tausende Pflegekräfte benötigt, sie fehlen bereits jetzt. Expert*innen verschiedenster Richtungen sind sich über die Probleme einig, auch eine Vielzahl an möglichen Lösungen liegen am Tisch. Damit es nun endlich zu den notwendigen Reformen kommt, müssen wir Pflegekräfte weiter Druck aufbauen und uns deutlich artikulieren.
Nicht, weil wir Querulanten sind, sondern weil wir vernünftige Personalschlüssel und faire Bezahlung wollen. Das hat die schwere und verantwortungsvolle Arbeit in der Pflege verdient.
Wolfgang Schwab ist Diplomkrankenpfleger und engagiert sich im Pflegearbeits- kreis der KPÖ Steiermark