Dividende von der Kammer?
Leo Furtlehner über Attacken auf die Arbeiterkammer
Es ist schon eine bemerkenswerte Logik, wenn die Propheten des Neoliberalismus einerseits Budgetüberschüsse verlangen, aber umgehend kritisieren, wenn eine Institution finanzielle Reserven hat. Konkret geht es um „Die Arbeiterkammer und das viele Geld“ (Die Presse 7.8.2021).
Hanna Kordik, eine Kampfschreiberin des Kapitalblattes greift dazu willfährig jene Stichworte auf, die der NEOS-Abgeordnete Gerald Loacker liefert. Der pinke (A-)Sozialsprecher ist als wackerer Kämpfer gegen die Arbeiterkammer als wichtigste und gesetzliche Interessenvertretung der Lohnabhängigen bekannt. Dass er die Pflichtmitgliedschaft als Zwang diffamiert, ist nicht verwunderlich. Gehört es doch zum Wesen des Neoliberalismus, Instrumente die den sozial benachteiligten nützen in Frage zu stellen und Solidarität zu zerstören.
Nun empört sich „Die Presse“, dass die Wirtschaftskammer im Corona- Krisenjahr 26,4 Millionen Euro Verlust geschrieben hat, während die AK einen „ansehnlichen Jahresüberschuss“ erzielen konnte. Die neoliberale Logik definiert diesen Überschuss flugs als „Gewinn“. Ganz so, als ob nun an die AK-Mitglieder eine Dividende auszuzahlen wäre. Wozu der Wiener AK-Direktor Christoph Klein klarstellt: „Die Arbeiterkammer darf gar keinen Gewinn machen“.
NEOS-Mann Loacker mühte sich durch die neun Länderbudgets der AK beim Posten „Zuführung zu Rücklagen und Rückstellungen“ und eruierte für 2020 einen Überschuss von 43,3 Mio. Euro der neun Länderkammern. Was gemessen an einer Mitgliederzahl der Arbeiterkammer von 3,786 Millionen (Stand 2020) – davon 0,808 Mio. beitragsbefreit – nicht gerade sensationell viel ist.
Weil sogar den NEOS klar ist, dass die AK keine Dividende auszahlen darf, versuchen sie es mit der höchst populistischen Forderung nach einer Beitragssenkung, womit bekanntlich auch die FPÖ schon wiederholt vergeblich zu punkten versucht hat. Die Axt gegen die AK-Umlage als de facto einzige Finanzierungsgrundlage zu schwingen zielt ganz eindeutig darauf, die Interessenvertretung der Lohn- abhängigen zu eliminieren.
Der Vergleich mit der WKO, die in der Corona-Phase ihre Grundumlage im Umfang von 200 Millionen Euro aussetzte und andere Umlagen stundete hinkt allerdings, weil die Funktion der WKO eine deutlich andere als jene der AK ist. Unterschlagen wird dabei auch, dass die Unternehmen den weitaus größten Anteil an den milliardenschweren Corona-Hilfen der Regierung einkassiert haben.
Da ist AK-Direktor Klein beizu- pflichten, der meint, „dass gezielte Förderungen von Mitgliedern besser sind als das Senken von Beiträgen für unbestimmte Zeit.“ Zudem ist die Zahl der Beratungen 2020 um rund 50 Prozent auf 2,3 Millionen gestiegen, weil viele Unternehmen Corona auch zu mehr Verstößen gegen geltendes Arbeits- und Sozialrecht missbraucht haben und die Lohnabhängigen ohne kräftige Interessenvertretung da schlecht dastünden.
Das schlägt sich auch im aktuellen Vertrauensindex österreichischer Institutionen nieder: Da rangiert nämlich die AK mit 42 Prozent Zustimmung auf Platz vier, die Wirtschaftskammer mit nur 13 Prozent hingegen nur auf Platz 13. Von den Minuswerten der Regierung (minus 12 Prozent) oder der Medien (minus 34 Prozent) gar nicht zu reden.
Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“