Die Katze ist aus dem Sack
Patrick Kaiser über den Druck auf das Gesundheitspersonal.
Während mit dem Covid-Virus infizierte Menschen oder die Kontakt mit solchen hatten in Quarantäne sein sollen, birgt die aktuelle Schutzmaßnahmen-Verordnung eine spannende Passage: Positiv getestete Beschäftigte in Krankenanstalten und Pflegeheimen „dürfen“ weiter lohnarbeiten, wenn ihnen eine ärztliche Sachexpertise bescheinigt, dass sie hackeln können.
Näher betrachtet ist dies ein weiterer Schritt, um Missstände im Gesundheitsbereich zu kaschieren. Es wurde auch nach der Welle im März keine Ausbildungsoffensive beschlossen, keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen durchgesetzt und nicht einmal versucht neues Personal zu akquirieren. Es wurde einfach weiter gemacht, mit einer durchschnittlichen Auslastung etwa im Intensivbereich nahe der Versorgungsgrenze.
Warnende Stimmen vor schwerwiegenden Versorgungsproblemen im – nun eingetretenen – Ausnahmefall wurden zwar wahrgenommen, aber als „Querulantentum“ und schädigendes Verhalten denunziert. Schuld daran ist eine weiter einzig leistungsorientierte und rationalisierte Verwaltung der Stellen, die ohne Mitspracherecht am Bett arbeiten.
Nun sollen also alle, die bereits jetzt am Limit arbeiten und positiv getestet werden, auch noch krank in die Arbeit gehen und gefährdete Patient*innen betreuen. Es gibt keine wissenschaftlich bestätigten Antworten darauf, wann man mit Covid-positivem Befund nicht mehr ansteckend ist, außer man ist negativ.
Krankes und damit potenziell ansteckendes Personal dazu anzuhalten, wieder arbeiten zu gehen, geht nicht. Dies gefährdet sowohl Kolleg*innen, krank arbeitende Mitarbeiter*innen und Patient*innen. Prinzipiell gilt das Arbeitnehmer*innenschutzgesetz weiter: Alles was Arbeitnehmer*innen schädigt ist nicht erlaubt. Und offiziell bestätigt krank arbeiten zu gehen gehört sicher dazu, da niemand die Folgewirkungen von Covid19 kennt.
Die Gewerkschaft muss gegen diese Maßnahmen eintreten: Nur gesundes Personal kann gut betreuen und nicht weiter anstecken. „Wir sind kein Schlachtvieh“, so argumentiert die basisdemokratische „Liste Solidarität“ im Wiener Gesundheitsverbund (vormals KAV) gegen diese Vorgehensweise der Regierung zum Nachteil der Gesundheitsberufe.
Durch das nur auf höchste Auslastung und Kostenoptimierung orientierte Krankenanstaltenwesen sollen wir ständig einsatzbereit sein und die Dienstpläne haben nur mehr Vorschlagscharakter. Bei uns gibt es kein Homeoffice, wir stehen an vorderster Front am Bett. Wenn wir nun auch noch krank arbeiten gehen sollen, gefährdet das nicht nur uns, sondern auch die Patient*innen! Warnende Stimmen des Pflegepersonals werden nicht gehört, da die Planungen immer nur kostenoptimiert verlaufen. So können wir nicht arbeiten!
Der GLB-Wien meint daher:
Wir brauchen eine Ausbildungsoffensive für die Pflege, die nicht auf Dequalifizierung setzt. Gerade mit Corona wird sichtbar, dass nur bestausgebildetes Personal gute Betreuung und Behandlung schafft.
Niemand darf krank arbeiten gehen. Ein pseudo-ärztliches Attest, vielleicht ausgestellt vom Arbeitgeber, ist eine Verhöhnung der Schutzmaßnahmen, aber auch der betroffenen Beschäftigten.
Es muss eine Abkehr von der auslastungsorientierten Planung der Krankenhausbetten geben, hin zu einer sinnvollen Steuerung durch Personal und Patient*innen.
Krank arbeiten geht nicht, vor allem auch im Gesundheitswesen.
Patrick Kaiser ist Krankenpfleger auf einer Intensivstation und GLB-Aktivist