Die Herren der Daten

Es ist kein Zufall, dass acht der zehn reichsten US-Amerikaner im Silicon Valley residieren und Eigentümer global agierender Digitalkonzerne sind. Traditionell galten sie bei früheren US-Präsidentenwahlen als Unterstützer der Demokraten und galt für diese finanzstarke Elite der rüpelhafte und autokratische Immobilienhai Donald Trump als „rotes Tuch“.

2024 ist das jedoch anders und so agieren etwa Marc Andreessen (in den 1990ern Netscape-Pionier) und Ben Horowitz als Propagandisten für Trump. Ebenso wie Elon Musk (der 2022 Twitter um 44 Milliarden Dollar erwarb und in X umbenannte), Peter Thiel (Palantir) und David Sacks, bekannt als „Paypal-Mafia“, die mit dem Bezahldienst der 2000er Jahre reich geworden sind. Aber auch Jeff Bezos (Amazon) und Marc Zuckerberg (Facebook) haben Trump ihre Bewunderung versichert (Chip 11/2024). Ein besonders gutes Verhältnis zu Trump wird Tim Cook (Apple) nachgesagt, der durch seinen guten Draht zu Trump in dessen Amtszeit von 2016 bis 2020 das in China produzierte iPhone aus dem von Trump angezettelten Handelskrieg heraushalten konnte.

Die als „unangepasste Freidenker mit geniale Digitallösungen zur Verbesserung der Welt“ geltenden Tech-Bosse begehen ihr „jährliches Hochamt“ im Black Rock Desert in der Wüste Nevadas bei dem von der anarchistischen Szene gekaperten und in ein „Disruptions-Woodstock“ zur Imagepflege verwandelten siebentägigen „Burning Man“. Was sie angeblich mit den Hippies teilen, ist die „Leidenschaft für egalitäre Ideale und psychoaktive Substanzen“. Utopien – wie sie einst noch Apple-Gründer Steve Wozniak haben mochte – sind nicht ihre Sache.

Es geht um handfeste kapitalistische Interessen. Etwa um die „Little Tech“-Agenda für Schutz und Förderung von Start-Ups und die Ablehnung „jeder staatlichen Regulierung von Technologie und Risikokapital“ sowie der angeblichen „Regulierungswut der Regierung“. Auf der Innovations-Agenda von Andreessen und Horowitz stehen Fintech, Biotech, Künstliche Intelligenz und Blockchain ganz vorn.

Trump verkündet demonstrativ „Ich werde Joe Bidens Krieg gegen Krypto beenden.“ Der Krypto-Investor Tyler Winklevoss droht ergänzend „Es wird Zeit, dass die Crypto Army ein Zeichen an Washington sendet.“ Und obwohl schon Millionen US-Bürger:innen Opfer falscher Krypto-Versprechungen geworden sind vermeidet die demokratische Kandidatin Kamala Harris „substanzielle Äußerungen zu digitalen Vermögenswerten“.

Ähnlich sieht sich der expansive KI-Sektor von der Digitalpolitik der Regierung bedroht – etwa durch die Begrenzung der mit einem gigantischen Energieverbrauch verbundenen Rechenleistung und einer Meldepflicht für neue KI-Modelle. Microsoft hat sich jetzt per Vertrag den Strom des US-Atomkraftwerk Tree Mile Island für den Rechenbedarf seiner KI-Projekte gesichert.

Freilich sind die US-Regelungen im Vergleich zum AI Act der Europäischen Union „eher harmlos“. Welchen Schaden der neoliberale Wahn der Tech-Konzerne anrichtet zeigen zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofes: Apple muss in Irland 13 Milliarden Euro Steuer nachzahlen. Google eine Strafe von 2,4 Milliarden wegen Manipulation seines Suchdienstes.

Als Achse Trumps zu den Tech-Bossen gilt Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance als „das willige Vehikel der elitärsten toxischen Tech-Mogule“ und der „politische Butler der Milliardäre“ wie die Reporterin Kara Swisher schreibt. Als reicher Busenfreund von Vance gilt der deutschstämmige Starinvestor Peter Thiel, der mit Start-Ups wie Paypal, Facebook und Palantir reich geworden ist. Palantir versorgt Geheimdienste und Polizeibehörden der westliche Welt mit Überwachungssoftware, gilt als „Experte“ für digitale Herrschaft. Bekanntgeworden ist Thiel hierzulande vor allem, dass der politisch und medial als „Wunderwuzzi“ gefeierte frühere österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz nach seinem Sturz infolge umfassender Korruptionsskandale der ÖVP 2021 umgehend als „Global Strategist“ bei Thiel anheuerte.

Thiel predigt ganz offen „Freiheit und Demokratie halte ich nicht mehr für vereinbar.“ Er fordert die Verdrängung staatlicher Einflussnahme aus dem Wirtschaftsleben und die Beseitigung „enteignungsgleicher Besteuerung“. Nur mit Monopolen ließen sich Märkte dominieren, so sein Credo. Und er formuliert seine Vorstellungen als „quasi-religiöse Glauben an Ideologien der neuen Rechten“.

In seinem Credo „The Diversity Myth“ wettert er gegen Pluralismus und eine gerechte und multikulturelle Gesellschaft. Er kritisiert das Frauenwahlrecht und hält Regeln für lästig und zu brechen. Und analog zu Trump will er nicht an den Maßstäben normaler Menschen gemessen werden (Moment, 12.1.2022).

Mit der Ablehnung staatlicher Eingriffe machen die US-amerikanischen Tech-Oligarchen deutlich, dass sie nach der vollständigen Gängelung und Überwachung der Menschen streben, im Klartext eine von ihnen gesteuerte digitalisierte Autokratie, welche elementare demokratische Rechte und Errungenschaften eliminiert. Im Klartext: Die „Herren der Daten“ sind – mit oder auch ohne Trump – eine Gefahr für die Demokratie. Sie pervertieren das Dogma des Privateigentums an Produktionsmitteln über jedes erträgliche Maß hinaus als Herrschaft über die Daten von Milliarden Menschen. Höchste Zeit, dass diese sensiblen Bereiche privater Kontrolle entzogen und in öffentliches Eigentum überführt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert