Die Gewinne steigen, Die Löhne sinken
Anne Rieger zur aktuellen Konjunkturentwicklung
Bei der OMV, dem größten Industrie-Unternehmen Österreichs, stieg das bereinigte Betriebsergebnis im ersten Quartal 2021 um 424 auf 870 Mio. Euro.
Dem Grazer Anlagenbauer Andritz AG haben die Beschäftigten den Konzerngewinn im ersten Quartal von 31,5 auf 62,1 Mio. verdoppelt. Der börsenotierte Stahlkonzern voestalpine konnte den Gewinn auf 32 Mio. Euro steigern, die Dividende wurde von 20 auf 50 Cent je Aktie aufgestockt, ein Plus von 150 Prozent.
Produktivität steigt
Klar, dass es zu solchen exorbitanten Gewinnsteigerungen kommt, denn Österreichs Industrie erzielte in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich große Produktivitätssteigerungen. In den beiden vergangenen Jahren ist die Produktivität sogar jeweils über den Schnitt der Eurozone gestiegen. Der Standard schreibt: „Die Österreicher wurden also produktiver.“
Dabei ist das Niveau der Industrieproduktivität in Österreich traditionell sowieso hoch. Ausschlaggebend dafür seien vor allem die topqualifizierten und hochmotivierten Mitarbeiter, so „ABA Invest in Austria“. Bei der Arbeitsproduktivität je Beschäftigten nimmt Österreich laut EU- Kommission im EU-Schnitt einen Spitzenplatz ein und liegt mit 116,6 Prozent der Bruttowertschöpfung pro Beschäftigten vor Industrieländern wie Frankreich, Deutschland, Italien oder auch Großbritannien.
Löhne sinken
Nur von der von ihnen erarbeiteten Produktivitätssteigerung haben die Beschäftigten nicht mal einen Krümel bekommen. Im Gegenteil, die Reallöhne sind im Vorjahr um 0,7 bis 0,8 Prozent zurückgegangen. Das Wifo rechnet für heuer mit einem weiteren Lohnrückgang von 0,9 Prozent, und 2022 mit einem weiterer Rückgang von 0,3 Prozent.
Damit sanken auch die Lohnstückkosten, das Verhältnis von Arbeitskosten zu Arbeitsproduktivität, die entscheidend sind für die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Für 2021 wird im Bereich der Warenherstellung ein weiteres Sinken von 6,3 Prozent prognostiziert. Damit bleibt der Vorsprung gegenüber dem wichtigsten Handelspartner Deutschland erhalten.
Nach der OECD-Wirtschaftsprognose wird die Konjunktur in Österreich in diesem Jahr um 3,4, im kommenden Jahr um 4,2 Prozent steigen. Laut Wifo weisen die Vorlaufindikatoren sogar auf den Beginn einer Hochkonjunkturphase hin.
Kämpfen um höhere Löhne
Alle Indikatoren verlangen also dringend nach hohen KV-Abschlüssen, um – wenn schon nicht die ganze Bäckerei – so doch ein großes Stück vom selbst gebackenen Kuchen zu erkämpfen. Es reicht nicht, sich in Kollektivverträgen mit zwei Prozent Erhöhung abspeisen zu lassen, wie die Kolleg*innen in der Elektro- oder Papierindustrie, wenn sogar die offizielle Inflationsrate bereits im Mai 2021 bei 2,8 Prozent, die tatsächliche Kostensteigerung für Miete oder Obst aber weit darüber liegen.
Die Löhne müssen drastisch steigen. Denken wir über die 150 Prozent Dividendenerhöhung bei der voestalpine nach, die die Beschäftigten dort erarbeitet haben. Die Kolleg*innen der Sozialwirtschaft haben 2020 gezeigt, das Kämpfen möglich ist.
Anne Rieger ist Mitglied im erweiterten Bundesvorstand des GLB