Diametraler Interessensgegensatz
Franz Fend zum Thema Standortpolitik
Das Proletariat hat, Marx zufolge, kein Heimatland. Unter anderem deshalb, weil es auf Gedeih und Verderb mit dem Kapital verbunden ist, wenn auch als antagonistischer Widerspruchsteil.
Aufgrund der Tatsache, dass das Kapital niemals eine nationale Angelegenheit gewesen ist, sondern immer international agiert hat und, wieder Marx zufolge, sich verhält wie ein scheues Reh, haben es sich Staaten, Regionen Kommunen zur Aufgabe gemacht, dieses scheue Wesen anzulocken.
Diese Strategie, das Kapital anzulocken, für es möglichst gute Bedingungen herzustellen, nennt sich nicht erst neuerdings Standortpolitik. Es ist dies der alte Konkurrenzkampf, der aller mit neuer Härte ausgetragen wird.
Arbeitskraft und Natur als Quellen des Reichtums
Die Quellen menschlichen Reichtums sind die menschliche Arbeitskraft und die uns umgebene Natur. Also sind es diese Felder, auf welchen die Standortpolitik ausgetragen wir, wenn auch die Facetten vielfältiger erscheinen.
Dass es Kapital dorthin zieht, wo die Umweltauflagen am geringsten sind, scheint logisch. Dass hierzulande fast jeder Bürgermeister bereit ist, Wälder abzuholzen, um sogenannte Investoren anzulocken, ist evident.
Dass dabei die Ludwigs, Lugers und Mirlachers zwar nicht in derselben Liga spielen wie die Bolsonaros, es aber gerne möchten, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Fakt ist, dass es ein Standortfaktor ist, wenn ungestraft Flüsse vergiftet, die Luft verpestet, der Boden verseucht werden darf. Die österreichischen Regierungen tun alles dafür vorne mitzuspielen.
Ware Arbeitskraft, aber möglichst billig
Ein weiterer wesentlicher Standortfaktor betrifft das variable Kapital, also die Ware Arbeitskraft. Sie sollte so billig wie möglich sein, das heißt die Löhne und Gehälter möglichst niedrig.
Kampfbereitschaft der arbeitenden Klasse
Der Standortfaktor der eng damit zusammenhängt betrifft die Organisation und die Kampfbereitschaft der Arbeiter*innenklasse. Ist diese gering, oder, wie hierzulande, sozialpartnerschaftlich verdorben, steht dies auf der standortpolitischen Habenseite.
Gleichermaßen sind Militär, Polizei, Wasserwerfer und Gummiknüppel standortmäßige Pluspunkte für das Kapital, denn sollte die Arbeiter*innenklasse einmal unbotmäßig werden, könnte diese mit derlei Investi- tionen schnell zur Ordnung gerufen werden.
Nach Maßgabe der Profitlogik
Der Staat sollte der standortmäßigen Konkurrenzlogik darüber hinaus dafür sorgen, dass mit der Wiederherstellung von ramponierter Arbeitskraft alles klappt, ein halbwegs funktionierendes Gesundheits- und Sozialsystem gehört dazu. Dass diese ehemals solidarisch organisierten Systeme selbst den Maßgaben der Profitlogik unterworfen werden, ist eine andere Geschichte.
Faktor Bildung
Für die Staaten ist es unabdingbar, ausreichend gut ausgebildete Arbeitskräfte für das anzulockenden Kapital herzustellen. Das mag auf den ersten Blick zu den am wenigsten kritikwürdigen Aspekten des Themas gehören.
Dass das Bildungssystem zunehmend zum Ausbildungssystem für die Konzerne, gewissermaßen zu ausgegliederte Lehrwerkstätten, wird, dann doch wieder.
Der Komplex der direkten Wirtschaftsförderung, der Steuergeschenke und der legitimierten Steuerhinterziehung wären dann schließlich die I-Tüpferl in dieser Debatte. Die Interessen der Beschäftigten und die Maßgaben der Standortpolitik stehen einender diametral gegenüber.
Franz Fend ist Sozialbetreuer und Betriebsrat im Sozialverein B37 in Linz
Cartoon: Karl Berger